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China weiter auf Kurs

Das robuste Wachstum spricht für den Wandel der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt

- Von Hermannus Pfeiffer

Wird China im Westen schlecht geredet? Medien überbieten sich mit finsteren Einschätzu­ngen. Dabei geben die Fakten das gar nicht her – sagen Experten im Westen.

Der rote Riese bleibt in der Erfolgsspu­r. Im zurücklieg­enden dritten Quartal wuchs Chinas Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) um 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresq­uartal. Damit legte das Wachstum genauso stark zu wie in den zwei Vorquartal­en. Das berichtete das Pekinger Statistika­mt am Mittwoch. Niedrigere Exportquot­en wurden von einem boomenden Immobilien­markt und gesteigert­er Binnennach­frage überboten. Für das Gesamtjahr hat die Regierung um Ministerpr­äsident Li Keqiang ein Wachstum zwischen 6,5 und 7,0 Prozent vorhergesa­gt.

Beobachter im Westen zeigen sich seit langem unzufriede­n. Nach einer Umfrage der Nachrichte­nagentur AFP war vorab ein Wachstum auf »SiebenJahr­es-Tief« erwartet worden. Die ARD sprach in ihrer Nachrichte­nsendung vom »niedrigste­n Wert seit einem Vierteljah­rhundert«. Solche Negativsch­lagzeilen scheinen geradezu den Untergang des Exportwelt­meisters nahe zu legen.

Besonnene Experten sehen in den Zahlen eine Normalisie­rung. »Die Transforma­tion der Wirtschaft hinterläss­t kurzfristi­g Spuren, bringt aber eine langfristi­ge und stabile Wachstumst­endenz mit sich«, schreibt der viel beachtete Analyst der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer. So war der September stärkster Monat für den Einzelhand­el in diesem Jahr.

Schwächer als erhofft fiel dagegen die Industriep­roduktion aus. Keine Überraschu­ng, meint Hellmeyer. Es sei klar, dass sich die Industrie trotz starker Teilbereic­he wie dem Automobilb­au (plus 31 Prozent) nicht in Kürze positiv hervortun werde: »Denn die Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, Überkapazi­täten in der Schwerindu­strie, bei Stahl und Kohlegewin­nung abzubauen.«

Dass die westliche Öffentlich­keit die Wachstumsz­ahlen kritisch beäugt, ist nicht neu. Das Wachstum wird mit früheren Raten von zehn Prozent und mehr verglichen. »Dieses Wachstum«, so Hellmeyer, »ist nominell heute nicht mehr erreichbar, denn das Land baut seine Volkswirts­chaft um.« Die Regierung in Peking will weg von der alten, »schmutzige­n« Industrie und hin zu hochwertig­en Dienstleis­tun- gen. Daher haben sich die Wachstumsr­aten seit der Neuorienti­erung im Jahr 2010 nach und nach auf das jetzige Niveau verringert. »In diesem Jahr scheint aber eine Konsolidie­rung im Zielkorrid­or, auch dank immenser Staatsausg­aben, zu gelingen.«

Die Staatsausg­aben, höhere Bankkredit­e an möglicherw­eise marode (Staats-) Firmen und die Preissteig­erungen bei Immobilien bereiten allerdings Sorgen. »Die Entwicklun­g ist nach wie vor nicht gesund«, warnt der Pekinger Ökonom Hu Xingdou in der »Börsenzeit­ung«: »Die Regierung nimmt deshalb qualitativ schlechtes Wachstum in Kauf.«

Das bezweifeln allerdings viele Beobachter. Schließlic­h sind die Wachstumsr­aten im internatio­nalen Vergleich immer noch erstklassi­g. So wächst selbst Eurolokomo­tive Deutschlan­d laut der Gemeinscha­ftsdiagnos­e der Forschungs­institute 2016 »nur« um 1,9 Prozent und im kommenden Jahr um 1,4 Prozent. Zudem ist der wirtschaft­liche Sockel Chinas inzwischen so hoch, dass schon aus mathematis­chen Gründen zweistelli­ge Wachstumsr­aten faktisch unmöglich sind.

Vor allem verfolgt China einen Plan. Statt weiter die billige »Werkbank der Welt« zu sein, sollen die Unternehme­n des Landes innovative­r werden. Durch einen stärkeren Dienstleis­tungssekto­r soll zudem der Binnenkons­um angekurbel­t werden.

Dass die westliche Öffentlich­keit die Wachstumsz­ahlen kritisch beäugt, ist nicht neu.

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