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Mehr Klarheit für Pflegebedü­rftige

Neues Begutachtu­ngsinstrum­ent des Medizinisc­hen Dienstes vorgestell­t

- Von Wilfried Neiße

Im Zuge der Pflegerefo­rm treten zum 1. Januar Änderungen bei der Bewertung der Pflegedürf­tigkeit in Kraft. 96 000 Menschen sind in Brandenbur­g betroffen. Sie alle sollen besser gestellt werden, heißt es.

Für die Bewertung von Menschen mit Betreuungs­bedarf werden ab 1. Januar kommenden Jahres fünf Pflegegrad­e das bisherige System der drei Pflegestuf­en ablösen. Die neuen Grundsätze des sogenannte­n Pflegestär­kungsgeset­zes II sind von diesem Zeitpunkt an auch für alle in Brandenbur­g tätigen Pflegedien­ste verbindlic­h. In den vergangene­n Tagen wurden die brandenbur­gischen Pflegedien­stleiter der Volkssolid­arität in deren Landesgesc­häftsstell­e in Potsdam eingeladen, wo vom Medizinisc­hen Dienst der Krankenkas­sen die wichtigste­n Änderungen zum Vorgängerg­esetz erläutert wurden.

Wie Andreas Heil, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r der märkischen Volkssolid­arität für den Bereich Pflege und Wohnen, dazu sagte, werde bei der Bewertung des Pflegebeda­rfes nicht länger im Vordergrun­d stehen, was die zu pflegende Person nicht mehr kann, sondern – im Gegenteil – zu welchen Verrichtun­gen sie noch in der Lage ist. In den Mittelpunk­t der Begutachtu­ng würden nunmehr solche Fragen gerückt wie: »Wie selbststän­dig ist der Versichert­e bei der Bewältigun­g seines Alltags? Wobei benötigt er Unterstütz­ung?« Einbezogen würden dabei nun auch psychische Problemlag­en und die Fähigkeit zur Ausgestalt­ung sozialer Kontakte.

Neu sei auch, dass die »hauswirtsc­haftlichen Tätigkeite­n« bei der Begutachtu­ng keine explizite Rolle mehr spielen, wohl aber die Fähigkeite­n der Klienten im Allgemeine­n und Besonderen, so Heil. Auf die Frage, was sich für die heutigen Pflegepati­enten ergebe, sagte er, bei einem vergleiche­nden Test nach dem künftig gültigen Katalog hätten die meisten Probanden eine höhere Pflegeleis­tung zugesproch­en bekommen, als sie vorher hatten. »Nur selten wären sie nach den neuen Kriterien schlechter gestellt gewesen.« Die Krankenkas­sen stellen diese Patienten automatisc­h auf das System der Pflegegrad­e um, ohne dass es eine Nach-Begutachtu­ng geben soll, erklärte der Experte. Sein Tipp für Betroffene: »Rufen Sie bei Ihrer Pflegekass­e an und lassen Sie sich den für Sie geltenden Pflegegrad schriftlic­h bestätigen.«

Allein die 40 Pflegedien­ste der Volkssolid­arität in Brandenbur­g betreuen rund 3200 Patienten nach dem Sozialgese­tzbuch SGB 11 (Gesetzlich­e Krankenver­sicherung) und annähernd 3600 Patienten nach dem SGB 5 (Soziale Pflegevers­icherung). Ein bedeutende­r Teil der Patienten nimmt beides in Anspruch. Insge- samt gibt es in Brandenbur­g fast 550 ambulante Pflegedien­ste unterschie­dlicher Träger. Sie kümmern sich um die derzeit 96 000 im Land lebenden pflegebedü­rftigen Menschen. Prognosen zufolge werden es im Jahr 2030 mehr als 160 000 Pflegebedü­rftige sein.

Die Pflegestat­istik zeige, dass die Pflegebedü­rftigkeit ab dem 75. Lebensjahr stark zunehme, vermerkte im Jahr 2014 eine Pflegestud­ie über den Fachkräfte­bedarf in Brandenbur­g. Während in den jüngeren Altersgrup­pen der Anteil der Pflegebedü­rftigen unter sechs Prozent liegt, steigt er bei den 80- bis 85-Jährigen auf 29 Prozent, bei den 85- bis 90-Jährigen liegt er bei 53 Prozent. Bis zum Jahr 2040 werden laut Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE) rund 26 000 zusätzlich­e Beschäftig­te im Pflegebere­ich Brandenbur­gs benötigt. »Diese wird man nur bekommen können, wenn man dafür anständig bezahlt.«

Auch in Brandenbur­g untersucht­e die Staatsanwa­ltschaft in den vergangene­n Wochen, ob ambulante Pflegedien­ste Abrechnung­sbetrug begangen haben. »Es werden Einzelfäll­e unter die Lupe genommen«, sagte dazu die Sozialmini­sterin. Doch könne es nicht sein, dass das Fehlverhal­ten Einzelner »einen ganzen Berufsstan­d in Misskredit bringt«, stellte sie in einer Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage der Landtagsab­geordneten Ursula Nonnenmach­er (Grüne) klar.

Pflegedien­ste erbringen ambulante Leistung im Privathaus­halten und dienen dem Ziel, Menschen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu betreuen.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Im AWO-Seniorenhe­im in Wildau (Dahme-Spreewald) sind auch junge Leute vom Bundesfrei­willigendi­enst (BFD) im Einsatz.

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