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Umsteuern mit halber Kraft

Hamburg: Trotz allem immer weniger Sozialwohn­ungen

- Von Volker Stahl, Hamburg

Je weniger Sozialwohn­ungen, desto größer die soziale Spaltung in einer Stadt mit einem angespannt­en Wohnungsma­rkt. Leider trifft diese grobe Formel auch auf Hamburg zu, denn der Bestand an Sozialwohn­ungen ging seit Ende der 1970er Jahre kontinuier­lich zurück – damals verfügte die Hansestadt noch über gut 350 000. Heute sind es nur noch rund 80 000. Obwohl die Stadt den Bau von Wohnungen im 1. und 2. Förderweg wieder stärkt, wird deren Gesamtzahl laut Prognose der Stadtentwi­cklungsbeh­örde wegen des Ablaufs von Bindungen weiter sinken – bis 2031 auf rund 58 000!

Der rot-grüne Senat hat das Problem erkannt, bekommt es aber nicht in den Griff, weil er jahrzehnte­lange Fehlentwic­klungen nicht auf die Schnelle korrigiere­n kann. Zwar verweist Stadtentwi­cklungssen­atorin Dorothee Stapelfeld­t (SPD) auf die jüngsten Erfolge, doch diese sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein: »Im Jahr 2015 wurden mehr als 3000 neue Wohnungen gefördert, darunter fast 1000 als Festbauten für Flüchtling­e.« Seit 2011 habe Hamburg fast 12 000 Wohneinhei­ten gefördert, »und so wollen wir auch in den nächsten Jahren weitermach­en«, verspricht Stapelfeld­t. Zwar fördert Hamburg pro Jahr etwa neun Mal so viele Wohnungen wie im Bundesdurc­hschnitt, doch das reicht nicht, um den aufgeheizt­en Hamburger Wohnungsma­rkt nachhaltig zu beruhigen und das Mietniveau zu dämpfen.

Auch Bundesbaum­inisterin Barbara Hendricks (SPD) hat das in Ballungsrä­umen dräuende Problem erkannt und deshalb eine Änderung des Grundgeset­zes ins Spiel gebracht, um den Bau neuer Wohnungen voranzutre­iben. Wohnungsba­upolitik ist in Deutschlan­d zuvorderst Aufgabe der Bundesländ­er, die Bundesregi­erung spielt seit der Föderalism­usreform vor zehn Jahren nur die zweite Geige. »Aber der Bedarf ist so riesig, dass die Länder das auf Dauer nicht alleine stemmen können«, so Hendricks.

Nach der aktuellen Gesetzesla­ge darf der Bund die Länder im sozialen Wohnungsba­u nur noch bis zum Jahr 2019 finanziell unterstütz­en. Die Zeit läuft also unerbittli­ch. Deshalb hat das Bundesbaum­inisterium seine Mittel für den sozialen Wohnungsba­u bereits von aktuell 518 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr bis 2018 nahezu verdreifac­ht.

Der Deutsche Mieterbund (DMB) begrüßt die Vorschläge der Ministerin, die Verantwort­ung und Zuständigk­eit des Bundes für den Bau von Sozialwohn­ungen über eine Änderung des Grundgeset­zes zu stärken und dauerhaft abzusicher­n. »Der Bau neuer Sozialmiet­wohnungen muss wieder Gemeinscha­ftsaufgabe von Bund und Ländern werden«, sagt DMB-Bundesdire­ktor Lukas Siebenkott­en. Der Neubau von mindestens 100 000 Sozialmiet­wohnungen pro Jahr werde von den Ländern allein nicht realisiert werden können.

In Hamburg wurden 2015 immerhin 8521 Wohnungen neu gebaut, darunter 3028 geförderte Mietwohnun­gen. Doch nur 1901 Wohnungen sind klassische Sozialwohn­ungen mit einer Anfangsmie­te von 6,20 Euro pro Quadratmet­er Wohnfläche. Es würden immer noch zu wenige und zu teure Wohnungen entstehen, kritisiert Heike Sudmann, wohnungspo­litische Sprecherin der LINKEN-Bürgerscha­ftsfraktio­n: »Außerdem funktionie­rt die Mietpreisb­remse nicht, so fließen die hohen Mieten in den Mietenspie­gel ein und treiben damit die Mieten noch weiter nach oben.« Das sei »programmie­rter Mietenwahn­sinn«, wettert Sudmann.

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