Thüringer Fernblick nach Süden
Bodo Ramelow stellt in Bayern klar: Von den Übertrittsplänen im Kreis Sonneberg hält er nichts
Fränkisch geprägte Gebiete Thüringens sollen auf Drängen eines Vereins nach Bayern wechseln. Im Zusammenhang mit der umstrittenen Kreisgebietsreform könnte die Aktion noch Dynamik bekommen.
Coburg. Bei seinem ersten offiziellen Bayern-Besuch als Thüringer Ministerpräsident hat sich Bodo Ramalow (LINKE) zum möglichen Länderwechsel von Teilen Südthüringens nach Bayern geäußert, wie ein Verein am Südzipfel seines Landes anstrebt. »Was soll ich davon halten, dass man den kleinsten Landkreis Thüringens noch mal halbiert und dem dann sagt, geht doch rüber nach Bayern?«, sagte Ramelow am Dienstagabend in Coburg. »Die Abwanderungsbewegungen an einer Grenze sind immer dann hoch, wenn man eigentlich gegenüber anderen was durchsetzen will.« Er wolle die Region zwischen Oberfranken und Südthüringen stärken.
Der Verein Henneberg-ItzgrundFranken sammelt derzeit Unterschriften für ein Volksbegehren, um den Anschluss überwiegend fränkisch geprägter Landesteile im Süden Thüringens an das fränkische Nordbayern auf den Weg zubringen. Das Bundesinnenministerium muss das Verfahren allerdings erst zulassen. Der Verein beruft sich auf das Grundgesetz, das im Artikel 29 Wege für einen Neuzuschnitt der Bundesländer regelt. Im Zusammenhang mit der umstrittenen Kreisgebietsreform in Thüringen, bei der die Kreisgrenzen ohnehin verändert werden, könnte die Aktion eine zusätzliche Dynamik erhalten.
»Wenn die basisdemokratische Willensäußerung einen Kreis halbiert, frage ich mich, was das für eine basisdemokratische Willensäußerung gegen die andere Hälfte ist«, sagte Ramelow zu diesem Plan. Allerdings gebe es auf Seiten Thüringens einiges zu tun. So müsse etwa der Tourismus in der Region gestärkt werden. »Wir wollen den fränkischen Raum als Ganzes größer denken.«
Aus Sicht des Staatsrechtlers Matthias Ruffert steht das Vorhaben unter keinem günstigen Stern. »Diese Initiative wird nicht von Erfolg gekrönt sein.« Der Professor für Öffentliches Recht an der HumboldtUniversität Berlin verweist auf einen Passus im Grundgesetz, wonach ein Siedlungs- und Wirtschaftsraum, der sich zusammenschließen möchte, mindestens eine Million Einwohner zählen muss. Martin Truckenbrodt vom Verein Henneberg-ItzgrundFranken räumt ein, dass es in den fränkisch geprägten Regionen lediglich 400 000 Einwohner seien. Eine Neugliederung nach Artikel 29 habe es in Deutschland bislang noch nie gegeben, erklärt Ruffert.
Innerhalb Thüringens flammten auch andernorts gelegentlich Debatten um mögliche Wechsel von Landkreisen in Nachbarbundesländer auf: etwa das Altenburger Land nach Sachsen oder das Eichsfeld nach Niedersachsen.
Häufig argumentieren Befürworter mit den Identitäten, die auf der anderen Seite der Ländergrenze liegen. Andererseits steht die Frage im Raum: Muss ein Franke zwingend in Bayern leben, um sich als Franke zu fühlen? Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) sieht das nicht so. Kürzlich verwies er als Reaktion auf die Unterschriftenaktion auf die Landesverfassung. Dort sei vorgegeben, »dass die kulturelle und landsmannschaftliche Verbundenheit sowie das Brauchtum der Be- völkerung in Thüringen berücksichtigt werden müssen«. Niemand mache den Bürgern in dieser Region ihre Identität streitig. Das aber befürchten nicht wenige Thüringer bei der anstehenden Gebietsreform. Der Franken-Verein forderte bereits vor einem Jahr in einem Schreiben an die rot-rot-grüne Landesregierung in Erfurt unter anderem, dass die fränkisch geprägten Regionen Thüringens einen Landkreis bilden und nicht länger auf mehrere aufgesplittet sein sollen. Dem Verein geht es im Grundsatz um eine stärkere Anerkennung der »fränkischen Identität«. In dem Brief wurde eine Frist zur Umsetzung der Forderung von einem Jahr gesetzt – ansonsten »wird sich wohl der Landkreis Sonneberg zielstrebig auf den Weg in den Freistaat Bayern begeben«, hieß es.
Sonnebergs Landrätin Christine Zitzmann (parteilos) begrüßt einen solchen Schritt: »Den Wechsel unseres überwiegend fränkisch geprägten Landkreises Sonneberg in den Freistaat Bayern halte ich für eine grundsätzliche Option – auch, wenn es kolossal schwierig wird.« Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte einmal dazu: »Eine mögliche Umgliederung kann nur dann klappen, wenn sich der Freistaat Thüringen einer Neugliederung der Teilgebiete nicht von vornherein verschließt.« Sein Thüringer Kollege Holger Poppenhäger stellt dagegen klar: Die Gebietsreform sehe nicht vor, dass sich einzelne Gemeinden und Städte Bayern angliedern.
Im Übrigen, so hatte der Minister im März erklärt, seien die Coburger ihrerseits eingeladen, nach Thüringen überzutreten. Und er verwies auf die »traditionell häufigen Missverständnisse insbesondere zwischen Alt-Bayern und Franken« sowie die große räumliche Distanz zur bayerischen Landeshauptstadt.
Im Übrigen, so hatte der Minister erklärt, seien die Coburger ihrerseits eingeladen, nach Thüringen überzutreten.