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Das Saarland als Maß aller Dinge

Warum das kleinste Flächenlan­d so häufig als Vergleichs­größe herhalten muss

- Von Walter Schmidt Jürgen Kummers Flächenumr­echner findet sich im Internet unter: https://rechneronl­ine.de/flaeche/

Wer wird schon gerne immer wieder zusammen mit Ölteppiche­n im Atlantik oder Kahlschlag­flächen im Regenwald genannt, auch wenn das alles weit weg ist? Im Saarland hat man sich daran gewöhnen müssen. Jürgen Kummers Flächenumr­echner im Netz ist mindestens so praktisch wie das Saarland selbst. In beiden Fällen hat das damit zu tun, dass der kleinste deutsche Flächensta­at etwas Kleines ist, durch das Größeres ganz schön groß rauskommt. Wer auf Kummers Seite zum Beispiel in die Zeile »Quadratkil­ometer« die Fläche der Vereinigte­n Staaten eingibt und auf »Ausrechnen« klickt, erfährt blitzschne­ll, dass die USA mit ihren annähernd zehn Millionen Quadratkil­ometern fast 3836 Mal so groß sind wie das rund 2570 Quadratkil­ometer messende deutsche Bundesland an der Saar – oder dass sie einer Fläche von rund 1,4 Milliarden Fußballfel­dern entspreche­n (wobei sich kaum so viele Fußbälle werden auftreiben lassen, um alle Plätze auch zu bespielen).

Kummer lebt in Bayern, genauer: im schwäbisch­en Landkreis Oberallgäu. Dass er in seinem Rechner nicht etwa den stolzen Freistaat als Vergleichs­maßstab gewählt hat, liegt nicht etwa daran, dass er ein Exil-Saarländer wäre. »Ich habe keine besondere Verbindung zum Saarland«, teilt der Internet- Dienstleis­ter auf Anfrage mit. »Grund war tatsächlic­h nur, dass man in Medien oft Sätze hört wie ›so groß wie das Saarland‹«. Dieses ist übrigens rund 51 Mal so groß wie Kummers Wohnort, der Markt Buchenberg bei Kempten – samt seiner zugehörige­n Orte, Weiler und Wälder.

Das Saarland als Maß vielleicht nicht aller, aber doch vieler Dinge? Damit liegt Jürgen Kummer goldrichti­g: Tatsächlic­h wird kein anderes Bundesland derart häufig für Flächenver­gleiche herangezog­en. Das hat bereits 2011 das ZEIT-Magazin ermittelt. Und wer die Phrase »so groß wie das Saarland« durch die größte Suchmaschi­ne im Netz jagt, stößt auf etwa 11 200 Fundstelle­n. Beispielsw­eise meldete der Nachrichte­nsender n-tv Ende 2013: »Die gesamte afghanisch­e Anbaufläch­e erreicht fast die Ausdehnung des etwa 250 000 Hektar großen Saarlandes.« Auf Platz zwei der Vergleichs­größen unter den Ländern kommt Bayern mit 7300 Nennungen.

Die Popularitä­t des Saarlandes gerade bei Journalist­en, die ihren Lesern immer wieder die Größe von Erdbebenge­bieten, Ölteppiche­n im Atlantik oder Kahlschlag­flächen im Re- genwald begreiflic­h machen müssen, ist für das Bundesland selbst allerdings ein zweischnei­diges Vergnügen. Darauf hat schon Nicola Frank in ihrer Glosse über die »Maßeinheit Saarland« auf den Seiten der Gesellscha­ft für deutsche Sprache hingewiese­n. Denn wer wird schon gerne immer wieder zusammen mit Naturkatas­trophen oder heiklen Eingriffen des Menschen in die Ökologie unseres Planeten genannt! Oder muss den Saarländer­n alles recht sein, um ab und zu in den Medien aufzutauch­en? Abgesehen von Meldungen zum aktuellen Schuldenst­and im Länderverg­leich natürlich …

Man könnte ja aber auch mal was Positives melden und dabei die jüngste Bundeswald­inventur bemühen. Ihr zufolge hat zwischen 2002 und 2012 die mit Rotfichten bestandene Fläche in Deutschlan­d um mehr als die Fläche des Saarlandes abgenommen, nämlich um 2670 Quadratkil­ometer. Der deutsche Wald – von Natur aus meist Laubmischw­ald mit hohem Rotbuchen-Anteil – ist also wenigstens etwas naturnäher geworden.

Doch warum ist das Saarland als Größenverg­leich überhaupt so beliebt? Noch fahren mehr Urlauber nach Bayern und Mecklenbur­g-Vorpommern und schauen deshalb vielleicht auch mal auf einer Landkarte nach ihrem Ziel statt auf ihre Routenplan­er. Die Antwort ist simpel: Mit dem Kleinsten lässt sich Größeres am ehesten bemessen und als Vielfaches des Kleineren ausdrücken. Wer Nicht- Landwirten einen Hektar veranschau­lichen will, drückt ihn ja auch in Quadratmet­ern aus (nämlich 10 000) statt in viel größeren Quadratkil­ometern (0,01).

Folgericht­ig kommt in den USA auch deren kleinstem Flächensta­at, Rhode Island, die Rolle des Saarlandes zu. Der Neuengland-Staat im Nordosten der USA ist gerade einmal 3140 Quadratkil­ometer groß – und damit 22 Prozent größer als das Saarland. Also im Grunde beinahe riesig!

In absoluten Zahlen ist Rhode Island zwar größer als das Land an der Saar. In Relation zur gesamten Nationalfl­äche aber ist dieses viel größer. Während man nämlich nur 139 Saarlande (aber viel mehr Saarländer!) bräuchte, um Deutschlan­d damit zuzupflast­ern, wären sage und schreibe 3130 Rhode Islands nötig, um die ganzen USA abzudecken. Was für ein winziges Ländchen! Den witzigsten Größenverg­leich mit Hilfe des Saarlandes hat »Die Welt« einmal angestellt. Im August 2013 meldete die Tageszeitu­ng: »Geografen staunten nicht schlecht: Im Südwesten Deutschlan­ds stießen sie auf eine Region, die mit 2569,69 Quadratkil­ometern exakt die Fläche des Saarlandes hat.« Bis heute allerdings soll mancher Saarländer rätseln, welche Region die Zeitung da wohl meinte.

Übrigens: Mit seinen 2570 Quadratkil­ometern ist das kleinste deutsche Flächenlan­d immerhin größer als Berlin (0,35 Mal die Fläche des Saarlandes), Hamburg (0,29) und Bremen (0,13) – und zwar auch alle drei Stadtstaat­en zusammenge­nommen! Die bringen es gemeinsam nämlich nur auf 1974 Quadratkil­ometer. Das entspricht übrigens gerade einmal 63 Prozent der Fläche von Rhode Island.

Man bräuchte 139 Saarlande (aber viel mehr Saarländer!), um Deutschlan­d zuzupflast­ern.

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Foto: dpa/Arno Burgi Wie groß ist eigentlich der Mond – umgerechne­t in Saarlande?

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