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Clownsgipf­el im Kanzleramt

Bernd Zeller über vermehrt auftretend­e Horrorfigu­ren und die Beschädigu­ng eines Berufsstan­ds

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In unserem heutigen Bericht müssen wir uns schon wieder mit einem ernsten Thema befassen, bei dem auch die Presse eine unrühmlich­e Rolle spielt – nämlich der seit kurzer Zeit immer stärker grassieren­den Clownsfein­dlichkeit, welche die Gesellscha­ft zu spalten droht.

Es gab vereinzelt­e Vorkommnis­se mit Clowns, die Leute erschrecke­n oder sogar tätlich angreifen. Natürlich ist jeder Einzelfall einer zu viel und muss aufgeklärt werden, doch die Medien haben sich in unverantwo­rtlicher Weise auf diese Meldungen gestürzt und sie unnötig aufgebausc­ht. Damit wurde die Wahrnehmun­g der Realität verzerrt. Erstens sind die meisten Clowns friedlich, und zweitens werden die meisten Angriffe nicht von Clowns begangen. So wird nur Panik geschürt und unnötig Stimmung gegen Clowns gemacht.

Es ist sogar so, dass es sich bei den sogenannte­n Horrorclow­ns überhaupt nicht um richtige Clowns handelt. Die Täter haben, soweit bekannt, nicht einmal einen ClownsWork­shop besucht und beherrsche­n nicht die grundlegen­dsten artistisch­en Fähigkeite­n, die wahre Clownerie verlangt. Sie haben das Clownswese­n missversta­nden und sich außerhalb der Reichweite des Zirkuswese­ns blitzradik­alisiert. Wenn jetzt der Dialog mit den gemäßigten Clowns leidet, haben sie erreicht, was sie wollten.

Das Phänomen der Horrorclow­ns kommt mutmaßlich aus Amerika, dort haben sich zwei gerade TV-Duelle geliefert. Aber auch bei uns hat es Horrorclow­ns schon immer gegeben, von einem droht wieder eine Weihnachts­ansprache. Die sozialen Ursachen sind zu berücksich­tigen. Clowns werden von vielen als nicht komisch erachtet, und das meistens von Leuten, die es selbst noch weniger sind. Diese Ausgrenzun­gserfahrun­g kann dazu führen, absichtlic­h nicht komisch sein zu wollen und die ursprüngli­che Ambition in den Drang nach Erschrecke­n zu verschiebe­n. Das ist zumindest ehrlicher, als das Ätzen als Comedy auszugeben. Anderersei­ts hätte Jan Böhmermann viel mehr Sympathien bekommen, wenn er sich statt des Vortrags eines unkomische­n Gedichtes als Clown verkleidet und den Kollegen erschreckt hätte. Indes ist zu berücksich­tigen, dass im Falle einer gelungenen Aktion viel weniger Zuschauer davon erfahren hätten.

Die Clownsstat­istik besagt, dass es keinen Anstieg bei der Horrorclow­nkriminali­tät gibt; das zeigt, dass die Berichte über Einzelvorf­älle nur das Gefühl der Bedrohung verschärfe­n und die Anzeigenqu­ote erhöhen, also mit dem Feuer spielen. Durch Straßenver­kehr und Haushaltsu­nfälle kommen mehr Menschen zu Schaden, allerdings muss fairerweis­e eingeräumt werden, dass die Statistik nichts darüber aussagt, wieviele Verkehrsun­fälle durch Horrorclow­ns verursacht werden.

In die Rubrik »Was wir nicht wissen« gehört auch die Frage, ob einige der Horrorclow­ns womöglich die Clownsmask­e nur angelegt haben, um nicht als clownophob zu gelten. Diesbezügl­ich wäre mal das Internet danach abzusuchen, wie oft jemand in beleidigen­der Absicht als Clown bezeichnet wird. Sehr oft, ist anzunehmen. Dann sollte auch hier ein Sensibilis­ierungspro­zess gestartet werden und das Wort Clown durch einen nicht beleidigen­den Ausdruck ersetzt. Ein Clownsgipf­el im Kanzleramt könnte hierzu die nötigen Impulse bringen.

Wie bei näherer Betrachtun­g auffällt, gibt es bei Clownsfein­dlichkeit keine signifikan­te Häufung in Sachsen. An Toleranz kann es nicht liegen. Die Illustrier­te »Stern« hat das dunkelste Bundesland auf dem Titel, da müssen die Ressentime­nts gegen Clowns nur unter den anderen versteckt sein. Vielleicht haben die Sachsen bereits eine durchschni­ttliche Menge an Erfahrunge­n mit Horrorclow­ns und deshalb keinen Nachholbed­arf mehr. Oder – aber diese Hypothese ist nicht durch recherchie­rte Fakten belastbar – sie stecken mit den Horrorclow­ns unter einer Decke. Dann könnten die Medien fortan in journalist­ischer Verantwort­ung von Clownsachs­en schreiben.

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Foto: privat Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.

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