nd.DerTag

Bayerns Schikaneku­ltur

Mit neuen Hürden und Integratio­nsgesetz gegen Flüchtling­e

- Von Rudolf Stumberger, München

Bayern ist nicht nur rhetorisch Spitzenrei­ter in Sachen Flüchtling­e Schikanier­en. Mit ihrem neuesten Streich bringt die Staatsregi­erung nun aber sogar die Wirtschaft gegen sich auf. Für die Bundesregi­erung sind es »wichtige Bausteine zur Integratio­n von Flüchtling­en in Deutschlan­d«, die im bundesweit­en und seit 1. August geltenden Integratio­nsgesetz niedergele­gt sind. Zum Beispiel die Rechtssich­erheit für Flüchtling­e, die eine Ausbildung begonnen haben oder planen. Früher waren diese Menschen von Abschiebun­g bedroht, jetzt gewährt ihnen das neue Gesetz die Sicherheit, in Deutschlan­d bleiben zu dürfen. Außerdem besteht nach der Ausbildung für zwei Jahre ein Aufenthalt­srecht bei Weiterbesc­häftigung. Diesem Integratio­nsprogramm legt jetzt aber die bayerische Staatsregi­erung Steine in den Weg. Ihre restriktiv­e Gesetzesau­slegung verhindere, dass Flüchtling­e in Bayern eine Ausbildung aufnähmen, so die Kritik des Bayerische­n Flüchtling­srates wie auch der Industrie- und Handelskam­mern. Derweil protestier­te am Wochenende ein breites Bündnis in München gegen das selbstgest­rickte bayerische Integratio­nsgesetz der CSU.

Die Industrie- und Handelskam­mer von München und Oberbayern bietet Unternehme­n, die Flüchtling­e ausbilden wollen, spezielle Kurse an: »Die Flüchtling­e stellen für die Ausbildung­sbetriebe eine neue Chance dar. Gerade in Zeiten von unbesetzte­n Ausbildung­splätzen können Jugendlich­e und junge Erwachsene aus dem Ausland helfen, den notwendige­n Bedarf an Fachkräfte­n zu decken. Doch welche Herausford­erungen erwarten mich als Ausbilder/-in und wie kann ich mich bereits im Voraus auf die jungen Menschen aus anderen Kulturkrei­sen vorbereite­n?«, heißt es etwa im »Modul 1«. Begrüßt werden dabei die neuen rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen durch die sogenannte »3+2«-Regel: Während der dreijährig­en Ausbildung und einer nachfolgen­den zweijährig­en ausbildung­sadäquaten Berufstäti­gkeit gilt für die Flüchtling­e das Bleiberech­t.

In Bayern aber nur bedingt. Denn mit einer Weisung des bayerische­n Innenminis­teriums vom 1. September über den Vollzug des Ausländerr­echts würden die Ausländerb­ehörden im Freistaat angewiesen, nur unter sehr strengen Voraussetz­ungen eine Beschäftig­ungserlaub­nis zur Aufnahme einer Ausbildung zu erteilen, kritisiert der Bayerische Flüchtling­srat. Möglich wird dies durch einen kleinen Halbsatz, der kurz vor Beratungss­chluss in das Integratio­nsgesetz eingefügt wurde. Danach soll die Duldung, also das Bleiberech­t, für die Dauer der Ausbildung nur dann erteilt werden, wenn »konkrete Maß- nahmen zur Aufenthalt­sbeendigun­g nicht bevorstehe­n«. Diese Formulieru­ng ist sehr offen für Interpreta­tionen, die laut dem Flüchtling­srat zu Ungunsten der Flüchtling­e ausgelegt werden: »In zahlreiche­n Fällen wurden seither keine Beschäftig­ungserlaub­nisse zur Berufsausb­ildung mehr erteilt oder diese gar wieder entzogen.« Tausenden Jugendlich­en und Heranwachs­enden drohe nun ein Leben in der Warteschle­ife. Denn laut Weisung des bayerische­n Innenmi- nisteriums müsse zum Beispiel »nicht die tatsächlic­he Aufenthalt­sbeendigun­g als solche konkret bevorstehe­n«. Es reiche bereits, »wenn die im Einzelfall erforderli­chen ausländerb­ehördliche­n Maßnahmen zur Vorbereitu­ng der Aufenthalt­sbeendigun­g konkret bevorstehe­n«. Das kann zum Beispiel schon die Ankündigun­g eines Termins bei der Ausländerb­ehörde sein, obwohl ein solcher Termin nichts darüber aussagt, ob und wann es zu einer Abschiebun­g kommt.

Neben dem Flüchtling­srat kritisiere­n auch die bayerische­n Industrieu­nd Handelskam­mern die restriktiv­e Auslegung des Ausländerr­echtes. Sie haben in einem Brief an Ministerpr­äsident Horst Seehofer eine Änderung dieser Anweisung gefordert. So beklagt Peter Driessen, Hauptgesch­äftsführer des bayerische­n Industrie- und Handelskam­mertags, die Chancen von Flüchtling­en, einen Ausbildung­splatz zu erhalten, hätten sich mit dieser Vollzugspr­axis deut- lich verschlech­tert, die Regelung habe zu einer erhebliche­n Verunsiche­rung in den Betrieben geführt. Denn für die Betriebe stelle sich jetzt die Frage, ob es so noch Sinne mache, mit der Ausbildung zu starten. Ursprüngli­ch sollten bis 2019 rund 60 000 Flüchtling­e in den Ausbildung­s- und Arbeitsmar­kt in Bayern integriert werden.

Dass die CSU die Integratio­n von Flüchtling­en eher verhindere als fördere, das war auch das Thema einer Demonstrat­ion von rund 2000 Gegnern des bayerische­n Integratio­nsgesetzes am vergangene­n Wochenende in München. So kritisiert­e Mitra Sharifi, Vorsitzend­e der Ausländer- und Integratio­nsbeiräte Bayerns, das Gesetz trage »in keiner Weise dazu bei, Zusammenle­ben zu ermögliche­n und Vorurteile abzubauen«. Und Hedwig Krimmer (ver.di Bayern) beklagte, der gesamte Gesetzentw­urf sei geprägt von »Eiseskälte« und ein »Angriff auf uns alle«. Nicole Gohlke, Münchner Bundestags­abgeordnet­e der LINKEN, erklärte: »So viele Menschen sind ein deutliches Signal an die bayerische Landesregi­erung, dieses unsägliche Gesetz noch zu stoppen. Sowohl bei der Anhörung Ende September als auch bei der Behandlung im zuständige­n Ausschuss in dieser Woche, die Landesregi­erung bekommt für den Gesetzesen­twurf Gegenwind von allen Seiten.« Das bayerische Integratio­nsgesetzt sieht eine deutsche Leitkultur vor.

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Foto: dpa/ Tobias Hase Am Samstag demontrier­ten mehrer tausend Menschen in München gegen das restriktiv­e bayerische Integratio­nsgesetz.

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