Erdogans Lektionen
Mossul-Offensive: Sind auch türkische Truppen beteiligt?
Der türkische Präsident fühlte sich von der Regierung in Bagdad missverstanden. »Ich habe doch nur Geschichtsunterricht gegeben«, sagte Erdogan. Er habe doch nur gesagt, »Mosul hat uns gehört« und »wir haben unsere Grenzen nicht freiwillig«. In Bagdad sieht man die Sache anders, dort trugen Demonstranten Plakate mit der Aufschrift »Die Zeit der osmanischen Besatzung ist zu Ende«. Kein Wunder, dass US-Verteidigungsminister Ashton Carter bei einer Stippvisite in der Region mit seinem Wunsch, die Türkei an der Militäroffensive auf Mosul zu beteiligen, in Bagdad auf Granit stieß.
Doch im Grunde ist die türkische Armee bereits in Irak. In der Nähe der Stadt Baschiqa ist eine Truppe mit Panzern und ca. 700 Mann stationiert. Sie bilden eine Truppe von sunnitischen Arabern und Turkmenen aus, die »Haschd Watani«, das »Nationale Aufgebot«. In mal geringerer, mal größerer Zahl befinden sich türkische Truppen seit 1992 in Nordirak, insbesondere um die kurdische Arbeiterpartei PKK im Schach zu halten. Zuletzt wurde die Anwesenheit der türkischen Truppen mit der Ausbildung der Haschd Watani und kurdischer Peschmerga zum Kampf gegen die PKK begründet. Der ehemalige Gouverneur von Mossul habe die türkischen Truppen gerufen. Die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad fordert indes seit über einem Jahr den Abzug der türkischen Armee.
Allerdings macht Erdogan keinen Hehl daraus, dass er sich als Anwalt der sunnitischen Araber in
Ein Sprecher des irakischen Kommandos bestritt die »türkische Beteiligung jeder Art an dem Einsatz zur Befreiung von Ninive«.
Nordirak versteht. Und der Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Irak, Masud Barzani, hat mehr Schwierigkeiten mit Bagdad als mit Ankara. Schließlich haben die Kurden den Vorstoß des IS ausgenutzt, um die strittige Ölmetropole Kirkuk unter ihre Kontrolle zu bringen. Daher kann es Barzani nur recht sein, wenn Bagdad die Kontrolle über die Region nicht uneingeschränkt zurückgewinnt.
Nun hat sich die türkische Armee ungefragt, doch an der Offensive gegen Mosul beteiligt. Zumindest sagte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim, die türkischen Truppen hätten die Einnahme von Baschiqa durch kurdische Peschmerga mit Artillerie und Panzern unterstützt. Von irakischer Seit kam am Montag ein Dementi: Ein Sprecher des irakischen Einsatzführungskommandos bestritt die »türkische Beteiligung jeder Art an dem Einsatz zur Befreiung von Ninive«. Mossul ist die Hauptstadt der nordirakischen Provinz Ninive.
Ein wenig mag der von unabhängiger Seite nicht bestätigte Kanonendonner gegen den IS in Irak auch der Ablenkung von den Vorgängen in Syrien dienen. Dort kämpfen die Türkei und ihre Verbündeten seit Tagen vor allem mit der kurdischen YPG-Miliz. Mag der Beitrag der Türkei zur Rückeroberung Mosuls eher bescheiden ausfallen, so bleibt die Anwesenheit türkischer Truppen in der Region gepaart mit Erdogans »Geschichtsunterricht« doch ein Politikum ersten Ranges. Erdogan scheint davon zu träumen, die Geschichte noch einmal zurückzudrehen und auf Gebiete zu pochen, die im Vertrag von Lausanne 1923 von Atatürk aus gutem Grund aufgegeben worden waren. Eben diesen Vertrag hat Erdogan jüngst als schlecht ausgehandelt bezeichnet.