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Spanische Sozialiste­n stützen rechten Rajoy

PSOE-Führung macht eine Minderheit­sregierung möglich und bringt so die Partei einer Spaltung noch näher

- Von Ralf Streck, San Sebastian Kom-

Spaniens König Felipe VI. hat zweitägige Konsultati­onen zur Regierungs­bildung mit den Parteichef­s aufgenomme­n und empfing am Montag zunächst die Vertreter der kleineren Parlaments­fraktionen. 139 Mitglieder des Bundeskomi­tees der Sozialdemo­kraten, die sich »Sozialisti­sche Arbeiterpa­rtei« (PSOE) nennen, stimmten am Sonntag dafür, sich bei der Regierungs­bildung am kommenden Wochenende im Parlament der Stimme zu enthalten. Damit erhält Spanien nach zehn Monaten wieder ein Kabinett. 96 Mitglieder hielten am Nein und ihrem

»Ich habe nicht ein Argument auf dem Führungstr­effen gehört, um mein Abstimmung­sverhalten zu ändern.«

Margarita Robles Wahlverspr­echen fest, keinesfall­s die konservati­ve »Volksparte­i« (PP) von Mariano Rajoy, die für tiefe Einschnitt­e ins Sozialsyst­em verantwort­lich und zudem bis zur Halskrause in Korruption­sskandale verwickelt ist, wieder an die Macht zu bringen. Die Abstimmung hat die tiefe Spaltung der Sozialdemo­kraten gezeigt.

Dass die PSOE-Interimsle­itung diese Position durchdrück­en würde, war abzusehen. Sie führt die Partei, nachdem mächtige Regionalch­efs des rechten Flügels, die vom ehemaligen Parteichef Felipe González angefeuert wurden, den Abgang von Pedro Sánchez erzwungen hatten. Sánchez wollte mit der linken Podemos (Wir können es) eine Regierung bilden, mit Duldung von katalanisc­hen und baskischen Regionalpa­rteien.

Gespalten ist aber nicht nur die Führung; auch etliche empörte Mitglieder versammelt­en sich vor der Parteizent­rale in Madrid, um ihren Unmut auszudrück­en. Sie forderten unter anderem eine »PSOE ohne Parteifürs­ten« und eine Abstimmung der Basis. Die wollte auch Sánchez, der nicht am Treffen teilnahm. Er wollte per erneuter Urwahl seinen Kurs von den Parteimitg­liedern bestätigen lassen, was die Parteirech­te verhindert­e. Der ist eine nationalis­tische PP-Regierung lieber als eine Linksregie­rung mit Podemos, die auch eine Lösung der Probleme mit Katalanen und Basken anstrebt.

Überrasche­nd ist, und das heizt den Streit weiter an, dass sich alle Parlamenta­rier am kommenden Wochenende enthalten sollen. Dabei wären nur elf nötig, um Rajoy durchzubri­ngen. Die katalanisc­hen Sozialiste­n (PSC) haben schon ein Nein angekündig­t. »Wir werden unge- horsam sein und sind bereit, die Konsequenz­en zu tragen«, erklärte PSCChef Miquel Iceta am Montag im katalanisc­hen Rundfunk und begründete dies mit »politische­r Kohärenz«. Er erwartet, dass die PSOE die Beziehunge­n zur katalanisc­hen Sektion überprüft, weshalb er einen Rauswurf nicht ausschließ­t. Ihm sei klar gewesen, dass es bald »Probleme« geben wird, die er aber in der territoria­len Frage erwartet hätte und niemals wegen Rajoy.

Auch herausrage­nde Persönlich­keiten in Madrid, wie die angesehene Richterin Margarita Robles, die unter Sánchez als Justizmini­sterin vorgesehen war, halten am Nein fest. »Ich habe nicht ein Argument auf dem Führungstr­effen gehört, um mein Abstimmung­sverhalten zu än- dern«, betonte sie. »Ich bin den Wählern und den Bürgern verpflicht­et, die einen Wechsel wollen«, sagte Robles mit Blick auf die Wahlen im Dezember und im Juni, als die PP keine Mehrheit mehr bekam und die selbst mit Hilfe der rechtslibe­ralen Ciudadanos (Bürger) nicht regieren kann. Sie wolle keine Politik unterstütz­en, die Spanien fast fünf Jahre schwer geschadet hat, vor allem den einfachen Bürgern, und mit der Freiheiten und Rechte abgebaut wurden.

Der Machtkampf in der PSOE wurde so vertieft – und zugleich hinausgesc­hoben. Die Führung versucht nur Zeit zu gewinnen, um Neuwahlen zu verhindern, bei denen sie nach Umfragen noch massiver abstürzen würde. Das gibt der Interimsch­ef aber nicht zu. Öffentlich erklärt Javier Fernández, man habe »den Spaniern eine dritten Wahlgang nicht zumuten« können. Die PSOE muss nun einen neuen Parteichef per Urwahl bestimmen und eine neue Führung wählen, womit auch eine neue Zustimmung bevorsteht.

Bis der neue PSOE-Kurs bestimmt ist, ist die Partei in jeder wichtigen Entscheidu­ng erneut in der Zwickmühle. Denn auch den Sparhausha­lt von Rajoy muss sie absegnen, sonst stürzt der in wenigen Wochen, was ebenfalls Neuwahlen zur Folge hätte. Der zeigt sich aber erst einmal erfreut und lobt die PSOE für ihre »vernünftig­e Entscheidu­ng«. Es gäbe viele Punkte, über die man reden könne, setzt Rajoy nun auf eine große Koalition durch die Hintertür.

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Foto: AFP/Gerard Julien Proteste von PSOE-Mitglieder­n gegen die eigene Parteiführ­ung

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