Rechner machen Märkte wackliger
Bundesbank hegt in ihrem Bericht für Oktober Zweifel am Nutzen des Hochfrequenzhandels
Beim Hochfrequenzhandel werden innerhalb von Sekundenbruchteilen Wertpapiere gehandelt. Das flutet die Märkte nicht nur mit Liquidität, sondern bringt vor allem auch viel Unruhe in die Handelsplätze. Am 7. Oktober bebten in Asien die Börsen. Das britische Pfund verlor innerhalb weniger Minuten gegenüber dem US-Dollar um mehr als sechs Prozent an Wert. Kurz darauf erholte es sich wieder. Ausgelöst wurden diese Turbulenzen jedoch weniger durch die Sorgen der Börsen vor den Auswirkungen des Brexits, so sind sich Analysten sicher, als viel eher durch einen sogenannten Fat-Finger-Trade. Demnach könnte ein Tippfehler bei der Programmierung von Computeralgorithmen für den Hochfrequenzhandel diese folgenschwere Kette von Transaktionen versehentlich ausgelöst haben.
Der Kurseinbruch des Pfundes vor zweieinhalb Wochen ist nicht das erste Mal, dass fehlerhafte Algorithmen einen »Flash Crash« ausgelösten. Für Skeptiker des automatisierten Handels beweisen solche Ereignisse, dass der Hochfrequenzhandel (HFT) die Turbulenzen auf den Börsen nur verstärkt und alles noch viel riskanter macht. »Nicht zuletzt aufgrund geringer Datenverfügbarkeit sind empirische Befunde über das tatsächliche Ausmaß der HFT-Aktivitäten und seine Wirkungen bislang begrenzt«, schreibt jedoch die Bundesbank in ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht für Oktober. Besonders rar seien Studien zu europäischen Kapitalmärkten und für Marktsegmente jenseits der Aktienmärkte.
Dabei macht der computergestützte Handel von Wertpapieren innerhalb eines Bruchteils von Sekunden mittlerweile rund die Hälfte der Aktivitäten auf den Aktienmärkten Europas und den USA aus. Dies ist ein Grund für Deutschlands oberste Währungshüter, sich selbst ein Bild über die Auswirkungen des Hoch- frequenzhandels auf die hiesigen Kapitalmärkte zu machen.
Dafür nahmen die Bundesbanker die Entwicklung des Deutschen Aktienindex’ (DAX) und eines wichtigen Index’ für deutsche Staatsanleihen innerhalb von zwei ganz speziellen Perioden genauer unter die Lupe. Einmal während der Krimkrise vom 6. bis 13. März 2014, als die Märkte besonders nervös waren, und einmal vom 3. bis 10. Juni desselben Jahres, als der DAX einem neuen Allzeithoch zusteuerte und die Märkte relativ ruhig waren. Auch schauten die Notenbänker darauf, wie die Stimmung der Händler rund um die Tage der Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank und der Veröffentlichungen der US-Arbeitsmarktdaten war. Denn dies sind je- weils sehr wichtige ökonomische Informationen, auf die die Börsen stark reagieren.
Das Ergebnis: Die Hochfrequenzhändler sind innerhalb einer Sekunde nach der Veröffentlichung der Information besonders aktiv und verstärken damit die Richtung der Marktbewegungen. Dies geschieht auf zweierlei Weise: Diejenigen HFT-Händler, die auf eine Verstärkung des Trends setzen, handeln besonders schnell, während jene HFT-Händler, die üblicherweise gegen den Trend handeln und die Märkte mit zusätzlicher Liquidität stabilisieren, sich rund um die Veröffentlichungstermine aus dem Markt zurückziehen. Die HFT-Akteure nutzen damit aus, dass sie im Gegensatz zu ihrer langsameren Konkurrenz innerhalb von Millisekunden auf die neue Lage reagieren können. »Dies könnte langsamere Marktteilnehmer dauerhaft entmutigen, in solchen Phasen ausreichend Liquidität bereitzustellen«, folgern die Bundesbanker.
Doch da, wo das Risiko nicht berechenbar ist, verlieren Hochfrequenzhändler die Vorteile gegenüber anderen Händlern. Sind die Märkte unberechenbar, ziehen sich die Turbohändler zurück. Die Bundesbank bringt in ihrem Bericht deshalb Maßnahmen wie die »Einführung einer minimalen Zeitverzögerung in der Ausführungszeit der Aufträge aller Marktteilnehmer« ins Spiel, die »das in Hinblick auf den volkswirtschaftlichen Nutzen zweifelhafte technologische ›Wettrüsten‹ an den Börsenplätzen« unattraktiver machen sollen.