nd.DerTag

Aus Fischern werden Schlepper

- Martin Ling über falsche Ansätze in der Entwicklun­gspolitik

Zuckerbrot und Peitsche: Mit diesem Uraltkonze­pt sollen die afrikanisc­hen Staaten flüchtling­spolitisch gefügig gemacht werden. Die EU-Gipfel-Erklärung lässt daran keinen Zweifel: »Der Rahmen stellt darauf ab, konkrete und messbare Ergebnisse bei der Verhinderu­ng von illegaler Migration und bei der Rückführun­g von irreguläre­n Migranten zu erzielen und unter Einsatz aller einschlägi­gen – auch entwicklun­gs- und handelspol­itischen – Maßnahmen, Instrument­e und Möglichkei­ten der EU die erforderli­che Hebelwirku­ng zu erzeugen und zu nutzen.« Im Klartext: Wer sich gegen Rückführun­g stellt, bekommt Entwicklun­gsgelder oder Handelsprä­ferenzen gestrichen – letzteres eine aus Handelsver­handlungen bekannte Praxis der EU.

Bei denjenigen Vertretern, die in der Streichung von Entwicklun­gshilfe generell den besten Hebel sehen, Entwicklun­g zu fördern, stößt diese Gangart auf Zustimmung. Dazu gehören jene vom »Bonner Aufruf« für eine andere Entwicklun­gspolitik, die seit 2008 offen dafür plädieren, den Entzug von Entwicklun­gshilfe als politische­s Instrument nutzen. Ihr Grundargum­ent ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen: Die afrikanisc­hen Eliten würden die Hilfsgelde­r zur Dekadenz, nicht aber zur Landesentw­icklung benutzen. Doch diese Erklärung greift definitiv viel zu kurz. Das Versagen vieler afrikanisc­her Politiker ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die Handelspol­itik der EU und der Industries­taaten, die Afrika als Rohstoffli­eferanten festschrei­ben und zarte Ansätze der Industrial­isierung konterkari­eren. Perspektiv­lose Fischer in Westafrika wurden Schlepper. Das ist nur ein Fakt, über den die EU und die Bonner geflissent­lich schweigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany