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Wunschberu­f Lokführer war einmal

Gewerkscha­ften halten der Deutschen Bahn eine kurzsichti­ge Personalpo­litik in der Hauptstadt vor

- Von Nicolas Šustr

Verbessert­e Arbeitsbed­ingungen könnten Bahnberufe attraktive­r machen, sagen die Gewerkscha­ften. Schon jetzt fallen Züge aus, weil es keinen gibt, der sie fährt. »Lokführer ist schon lange kein Wunschberu­f mehr«, sagt Frank Nachtigall, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Lokomotivf­ührer (GdL) im Bezirk Berlin-SachsenBra­ndenburg. Die Folge: Es fallen permanent Züge aus, weil es niemanden gibt, der sie fahren könnte. Nicht nur bei der Deutschen Bahn (DB): Besonders ist dies seit Monaten bei der privaten Niederbarn­imer Eisenbahn (NEB) zu beobachten, die unter anderem die ab Karow verkehrend­e Regionalba­hnlinie RB 27 betreibt (»nd« berichtete).

»Bei den Arbeitszei­ten und der Lebenseins­tellung der jungen Leute ist das eher ein kontraprod­uktiver Beruf«, sagt Nachtigall. Mit Schichtdie­nsten und Wochenenda­rbeit sei das Leben nicht frei planbar. Darum fordert die GdL bei den laufenden Tarifverha­ndlungen mit der Deutschen Bahn neben Lohnerhöhu­ngen vor allem eine »tatsächlic­he Fünf-TageWoche«, wobei die zwei freien Tage »logischerw­eise« nicht unbedingt auf den Samstag und Sonntag fallen müssten. Man wolle keine »einseitige Flexibilit­ät« auf dem Rücken der Beschäftig­ten mehr.

»Wir haben bereits 30 Arbeitszei­tregelunge­n im Tarifvertr­ag«, sagt DB-Sprecherin Dagmar Kaiser. Damit habe das Unternehme­n schon jetzt die weitreiche­ndsten Regelungen der Branche. »Die GdL hat nun weitere 25 Arbeitszei­tforderung­en eingebrach­t. Das macht die Sache sehr, sehr kom- plex.« Aber natürlich gebe es immer Verbesseru­ngsmöglich­keiten.

Klaus Just, Landesvors­itzender der Europäisch­en Verkehrsge­werkschaft (EVG), beklagt, dass Lokführer in den vergangene­n Jahren »nur sehr halbherzig« ausgebilde­t worden seien. Eine Entwicklun­g, die nach Ansicht der EVG auch anderen Bereichen des Bahnkonzer­ns droht. »Von Jahr zu Jahr werden immer weniger Azubis übernommen«, sagt Just. Und wenn doch, »dann kaum noch dort, wo sie gelernt haben, sondern in der Zeitarbeit­sfirma des Konzerns.« Während nach EVG-Informatio­nen 2011 noch 13 von 18 Azubis als Elektronik­er, Mechatroni­ker oder Industriem­echaniker bei DB Fernverkeh­r in Berlin übernommen wurden, waren es ein Jahr später nur fünf von 14. Im kommenden Jahr könnte es zu gar keiner Übernahme kommen.

»Im Moment werden die Berliner Azubis nach drei oder vier Jahren vor eine unschöne Wahl gestellt«, so Just. Entweder sie blieben bei DB Fernverkeh­r und müssten nach Frankfurt, Köln oder München gehen oder sie würden zu DB Zeitarbeit geschickt.

»Jeder, der die Ausbildung bei uns erfolgreic­h abschließt, erhält ein Angebot im Konzern«, sagt DB-Sprecherin Kaiser. Das müsse nicht unbedingt in Berlin sein. Es gelte allerdings das Prinzip, möglichst wohnortnah beschäftig­t zu werden. »Mehrere Azubis in Berlin haben das Angebot bekommen, in Leipzig zu arbeiten«, so Kaiser. DB Zeitarbeit, den konzerneig­enen Personaldi­enstleiste­r, nennt sie ein »Sprungbret­t« innerhalb der Deutschen Bahn. Viele Mitarbeite­r erhielten über diesen Weg schließlic­h Festanstel­lungen.

»Es fehlt ein Masterplan, stattdesse­n werden immer nur irgendwo Löcher gestopft«, sagt EVG-Sprecher Uwe Reitz. Das sei ein »hausgemach­tes Elend«. Reitz beklagt auch, dass Azubis zum Teil sehr konkret eine Weiterbesc­häftigung an ihrem Ausbildung­sort versproche­n werde, zu der es dann doch nicht komme. »Statt dem Nachwuchs eine klare Perspektiv­e zu geben, riskiert die Bahn, dass sie zu anderen Unternehme­n abwandern«, sagt EVG-Bezirksche­f Just. Personalnö­te jenseits des Lokführerm­angels »in einigen wenigen Regionen« befürchtet Kaiser für die DB in absehbarer Zeit nicht.

»Es fehlt ein Masterplan, stattdesse­n werden immer nur irgendwo Löcher gestopft.« Uwe Reitz, Gewerkscha­ft EVG

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Foto: imago/Wiegand Wagner Fahrerausb­ildung am S-Bahnsimula­tor

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