Wahlkampf mit acht Holzspeeren
Niedersachsens Paläon-Museum erweist sich als Fass ohne Boden – wie vorhergesagt
Das futuristische Steinzeit-Museum Paläon in Niedersachsens Provinz wurde vor einigen Jahren wegen acht alter Speere gebaut – für 15 Millionen Euro. Besucher kamen zu wenige, nun soll wieder Geld her. Ein paar alte Knochen, die dem Apostel Petrus gehören könnten, begeisterten Kaiser Konstantin im Jahre 324 so sehr, dass er eigens zur Ehre der Skelettreste den ersten Petersdom bauen ließ. Ähnlich enthusiasmiert mögen niedersächsische Politiker gewesen sein, als zwischen 1994 und 1998 im Südosten des Landes acht 270 000 Jahre alte Holzspeere gefunden wurden. Denn so wie Konstantin eine schon bestehende Kirche nicht heilig genug erschien für die fragwürdigen Gebeine, so war auch den Entscheidungsträgern in Hannover ein vorhandenes Museum zu popelig für die hölzernen Jagdwaffen. Und so billigte die damalige CDU/FDP-Regierungskoalition, dass eigens für jene Spieße ein Museum namens »Paläon« gebaut wurde – für 15 Millionen Euro aus dem Steuersäckel.
Eröffnet wurde der futuristisch anmutende Komplex bei Schöningen im Kreis Helmstedt feierlich im Land- tagswahljahr 2013. Doch nun, drei Jahre später, soll weiteres Geld aus dem Steuersäckel fließen: Mit einer Million Euro, so war jetzt zu erfahren, will Niedersachsens Ministerin für Wissenschaft und Kultur Gabriele Heinen-Kljajic (Grüne) dem kränkelnden »Forschungs und Erlebniszentrum« auf die Beine helfen. Es leidet an Geldmangel, allein im laufenden Jahr ist mit einem Defizit von rund 300 000 Euro zu rechnen.
Befürchtet, das Speermuseum werde am staatlichen Tropf hängen bleiben, hatte Heinen-Kljajic offenbar schon als oppositionelle Abgeordnete zur Zeit der unionsgeführten Regierung unter Ministerpräsident Christian Wulff. Im Rahmen einer Anfrage mit dem Titel »Millionenprojekte – für Niedersachsen oder für den CDU-Wahlkampf?« zitierte die Grünen-Politikerin Ende März 2009 im Landtag eine Warnung des Steuerzahlerbundes zum Schöningen-Projekt: Es werde sich als »dauerhaft zu stopfendes Subventionsloch« erweisen, und die Investition sei Verschwendung öffentlichen Geldes.
Doch Schwarz-Gelb bejubelte das Vorhaben, und Heinen-Kljajics Amtsvorgänger Lutz Stratmann (CDU) schien schier empört, dass jemand an der »ungeheuren Chance für die Region« durch den »Sensationsfund« zu zweifeln wagte. Schließlich habe man sich darauf verständigt, »dass die Folgekosten von den örtlichen Vertretern getragen werden müssen, so dass das Land keine Belastung erfahren wird«. Das Paläon, träumte Stratmann weiter, werde für Niedersachsen »ein Leuchtturm« sein. Mit dem selben Terminus feierte dann auch der örtliche Landrat Matthias Wunderling-Weilbier im Jahr 2012 das Prestigeobjekt, in dem nicht nur ausgestellt, sondern auch geforscht wird.
Doch der Leuchtturm ist in punkto Wirtschaftlichkeit nie so richtig hell geworden. Jährlich besuchen im Durchschnitt 52 000 Interessierte das Haus, aber das ist zu wenig, um es kostendeckend zu tragen.
Die aktuelle Finanzspritze aus Hannover, die noch vom Landtag genehmigt werden muss, soll das Paläon künftig attraktiver machen. Zwar werden dort neben den Speeren weitere Exponate gezeigt, die an die Steinzeit erinnern, doch sie ziehen offenbar nicht genügend Menschen ins ziemlich abgelegene Schöningen an der Grenze zu Sachsen-Anhalt.
Mit dem Geld aus Hannover, so Schöningens parteiloser Bürgermeister Henry Bäsecke gegenüber dem NDR, könnte eine Sonderausstellung finanziert werden und ein Aussichtsturm. Von ihm lasse sich dann auf den vor wenigen Wochen aufgegebenen Braunkohle-Tagebau am still gelegten Kraftwerk Buschhaus blicken. Und dorthin, wo die Speere in den 1990er Jahren gefunden worden waren.