Letztlich macht die Bundeswehr, was sie will
Zum Abstimmungsergebnis zum Film »Terror«
Dass die Mehrzahl der Bevölkerung keine Ahnung von ihrem Rechtsstaat und ihrem Grundgesetz hat, ist eine Tatsache, die man an vielen Themen erkennen kann. Woher soll das Wissen auch kommen? In der Bundesrepublik ging für 90 Prozent der Bevölkerung nach 1945 um wirtschaftlichen, nicht um rechtsstaatlichen Aufschwung. Als die Studenten 1968 darauf hinwiesen und etwas ändern wollten, wurden sie zusammengeknüppelt und bis zur RAF kriminalisiert oder per Radikalenerlass von Karrieren im Öffentlichen Dienst ausgeschlossen.
Auch wenn man an dem SchirachStück und der Präsentation durch die ARD viel kritisieren kann, ist es sehr gut, dass sich Millionen von BürgerInnen nun endlich mit diesen Themen beschäftigen. Der breite Rechtsstaatsdiskurs fehlt seit 70 Jahren. Was jetzt bei der Abstimmung und den Kommentaren dazu an Rechtsbewusstsein des Volkes ans Tageslicht kam, kann keinen Verfassungsrechtler freuen. Durch das Stück und die ARD-Diskussion danach haben wir auch erfahren, dass selbst unsere Bundeswehr nicht gewillt ist, sich an Entscheidungen des BVerfG zu halten, denn die Dialoge des Stückes sind teilweise Zitate aus den Akten. Der Bundeswehrmann und Herr Jung, der Ex-Verteidigungsminister sind, wie man bei Plasberg sehen und hören konnte, auch noch nicht bereit, die Sichtweise des BVerfG zu akzep- tieren. Das ist ein Aspekt, über den gar nicht diskutiert wird. Das sollte uns alle sehr beunruhigen. Eine Armee, die mehr oder weniger offen sagt: Was kümmert uns das Grundgesetz und das, was das BVerfG hierzu entscheidet, im Zweifel machen wir doch, was wir für richtig finden. Kein Wunder, dass die Bundeswehr auch wieder an Kriegen beteiligt ist, an denen sie nicht beteiligt sein dürfte.
Ein breiter öffentlicher Diskurs über sehr viele Rechtsthemen ist mehr als notwendig. In allen Fragen des Strafrechts ist das kollektive Unbewusste noch fest im Gestern verankert.
Dagmar Schön, Rechtsanwältin, München