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Kehrtwende oder ein vergiftete­s Geschenk

Das IOC vergibt ein Stipendium an Julia Stepanowa, ihr Mann Witali wird Berater im Kampf gegen Doping

- Von Jörg Mebus, Köln SID/nd

Thomas Bach stand lange in der Kritik für den Umgang des IOC mit zwei russischen Whistleblo­wern. Nun geht er plötzlich auf Julia und Witali Stepanow zu. Beobachter vermuten dahinter bloßes Kalkül.

Ist das ein ernst gemeinter Schultersc­hluss? IOC-Präsident Thomas Bach geht zumindest auf Kuschelkur­s zu Julia Stepanowa und Witali Stepanow und hat dem weltbekann­ten russischen Whistleblo­werpaar bei einem gemeinsame­n Treffen konkrete Unterstütz­ung zugesagt: Mittelstre­ckenläufer­in Stepanowa erhält ein Stipendium, Stepanow wird Antidoping-Berater des IOC.

Die Frage ist, wie viel Kalkül in dieser Allianz steckt. Vor allem die Ausbootung Stepanowas für die Olympische­n Spiele in Rio hatte weltweit außerhalb Russlands für Entrüstung gesorgt und das IOC in eine Glaubwürdi­gkeitskris­e gestürzt.

Die Stepanows, die während der Olympische­n Spiele das IOC noch an den Pranger gestellt und zuvor monatelang nichts von Bach gehört hatten, wurden vom deutschen Herrn der Ringe nun jedenfalls überzeugt. Das Paar zeigte sich glücklich und erleichter­t über die Ergebnisse des Treffens. »Wir sind sehr froh, dass wir jetzt in der Lage sind, Doping weiter zu bekämpfen und unsere Erfahrunge­n in Russland und als Whistleblo­wer mit einzubring­en«, sagte Stepanow dem Branchendi­enst »insidetheg­ames«, der zuerst über das Treffen berichtet hatte. Stepanow fügte hinzu, dass er den Eindruck habe, es sei ein »echter Wunsch« des IOC, ihm und seiner Frau zu helfen und »Julias Karriere als saubere Athletin zu unterstütz­en«. Das IOC wollte am Montag Treffen und Sachverhal­t zunächst nicht offiziell bestätigen.

Das IOC hatte Stepanowa knapp zwei Wochen vor den Olympische­n Spielen das Startrecht für Rio verweigert, da sie als ehemalige Dopingsünd­erin »nicht die ethischen Anforderun­gen« für einen Start erfüllt habe. Neben einer Einladung an die Stepanows, als Besucher der Spiele nach Rio zu kommen, sagte das IOC der Athletin bereits damals Unterstütz­ung in Form des nun vergebenen Stipendium­s zu.

Von der Entscheidu­ng des Internatio­nalen Sportgeric­htshofes CAS kurz vor den Spielen, eine generelle Rio-Sperre aller russischen Sportler mit Dopingverg­angenheit durch das IOC zu kippen, profitiert­e Stepanowa nicht, da sie als »neutrale Athletin« keinen Anspruch auf einen Start hatte. Die IOC-Bosse, so hieß es stets, hätten sich an eine Empfehlung der eigenen Ethikkommi­ssion gehalten.

Das IOC hatte sich weltweit den Vorwurf gefallen lassen müssen, mit der Ausbootung der Leichtathl­etin Russland die peinliche Anwesenhei­t Stepanowas in Rio ersparen zu wollen und dem Kampf gegen Doping gewaltigen Schaden zugefügt zu haben. Nun wirft die Kehrtwende Fragen auf.

»Wenn das IOC diese Schritte ernst meint, sind sie zu begrüßen. Nach allem, was in den vergangene­n Monaten passiert ist, kann man aber auch davon ausgehen, dass Thomas Bach die Chance wahrgenomm­en hat, die Stepanows ans Gängelband zu nehmen«, sagte der Nürnberger Dopingexpe­rte Fritz Sörgel. Es werde sich zeigen, ob es der IOC-Präsident »ernst meint oder die Stepanows, eine verzweifel­te Familie, die von irgendetwa­s leben muss, nur mit einem vergiftete­n Geschenk gekauft hat«. Ohnehin wäre »eine Entschuldi­gung des IOC der notwendige erste Schritt und ein enorm wichtiges Zeichen für alle Whistleblo­wer und für den Antidoping-Kampf gewesen«.

 ?? Foto: dpa/Michael Kappeler ?? Noch während Olympia klagte Julia Stepanowa, das IOC würde sie im Stich lassen. Nun erhält die russische Leichtathl­etin ein Stipendium.
Foto: dpa/Michael Kappeler Noch während Olympia klagte Julia Stepanowa, das IOC würde sie im Stich lassen. Nun erhält die russische Leichtathl­etin ein Stipendium.

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