nd.DerTag

Wozu soll die TabuBehaup­tung gut sein?

Zu »Die Ausnahmege­sellschaft«, 18.10., Literaturb­eilage S. 14

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Uta Bretschnei­ders Behauptung, für die Umsiedler sei ihre Herkunft »tabu« gewesen und von der SED sei verordnet worden, darüber nicht zu sprechen, ist eindeutig falsch. Ich bin selbst ein Umsiedlerk­ind. Jeder wusste davon, ob im Dorf, in der Oberschule, im Studium, in der wissenscha­ftlichen Arbeit am Institut, in der SED. Überall wurde von mir in den geforderte­n Unterlagen mein Geburtsort – in Klammern dazu von mir: »jetzt VR Polen« – angegeben.

Es wurde offen darüber gesprochen. Wir wussten als Oberschüle­r, dass unsere Klassenleh­rerin aus dem Sudetengeb­iet kam, viele meiner Mitstudent­en kamen aus den ehemaligen deutschen Ostgebiete­n. In allen meinen DDR-Personalau­sweisen stand als Geburtsort »Obersteink­irch«. Also: Wozu diese »Tabu-Behauptung«?

Was von Anfang an den Umsiedlern deutlich gesagt wurde, war etwas völlig anderes: Klar wurde gemacht, dass es ein Zurück in ihre verlorene Heimat nicht geben wird. Schuld an der ganzen Geschichte hatte der deutsche Hitlerfasc­hismus.

Ganz anders in den westlichen Besatzungs­zonen und der BRD. Da wurde von Anfang an die Hoffnung auf Rückkehr genährt, sie seien nur zeitweilig Vertrieben­e, hätten ein Recht auf die verlorene Heimat. Bundeskanz­ler Kohl musste 1990 zum Vertrag über die Anerkennun­g der Oder-Neiße-Grenze als endgültige Ostgrenze der BRD regelrecht getragen werden – so viel Wahrheit muss schon sein. Es war die Bedingung für die anstehende deutsche Vereinigun­g.

Dr. Peter Lachmann, Halle

Beiträge in dieser Rubrik sind keine redaktione­llen Meinungsäu­ßerungen. Die Redaktion behält sich das Recht Sinn wahrender Kürzungen vor.

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