nd.DerTag

Stabiler Sinkflug

- Jörg Meyer über die neue Statistik zur Tarifbindu­ng

Das Statistisc­he Bundesamt hat gefragt, Verantwort­liche aus Betrieben jedweder Größe haben geantworte­t. Die Ergebnisse überrasche­n nicht. Im Tarifgesch­äft mahlen die Mühlen oft langsam – ebenso langsam, wie die Erosion des Tarifsyste­ms vonstatten geht. Seit rund zwei Jahrzehnte­n befindet sich die Zahl der tarifgebun­denen Betriebe im Sinkflug, wenngleich dieser stabiler ist als noch vor einigen Jahren. Damals wurden etliche Betriebe des öffentlich­en Dienstes privatisie­rt, Bereiche aus dem produziere­nden Gewerbe ausgegründ­et und abertausen­de Beschäftig­te fanden sich augenreibe­nd in den Weiten des tariflosen und nahezu gewerkscha­ftsfreien Wettbewerb­s wieder.

Nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung arbeiteten 1998 noch 76 Prozent der Beschäftig­ten in Betrieben mit Tarifvertr­ag. Das Statistisc­he Bundesamt spricht in seinen aktuellen Zahlen von 45 Prozent der Beschäftig­ten in 15 Prozent der Betriebe im Jahr 2014. Die Zahlen sind direkt nicht vergleichb­ar, zu unterschie­dlich sind die Untersuchu­ngen. Festzuhalt­en ist: Die meisten tariflich Beschäftig­ten gibt es in Großbetrie­ben und im öffentlich­en Dienst. Je weniger Beschäftig­te, desto wilder die Bedingunge­n und desto niedriger auch die Verdienste. Das ist ein Ergebnis der Privatisie­rungs- und Ausglieder­ungspartys der letzten Jahrzehnte. Das wieder einzufange­n und in Tarifvertr­äge zu überführen ist für die Gewerkscha­ften um einiges schwerer, als davor die Zerstörung war.

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