Rassistische Töne aus London
Britische Medien kritisieren Aufnahme von Flüchtlingen aus Frankreich
Britische Medien berichten ausführlich über die Räumung des Flüchtlingslagers von Calais, gleiten dabei aber oft in eine rassistische Sprache ab. Dabei nimmt das Land nur wenige Flüchtlinge auf. Nach dem Abriss des Flüchtlingslagers in Calais nimmt London unbegleitete Jugendliche und Kinder auf. Rund 800 von ihnen würden nach Alters- und Sicherheitstests in den kommenden drei Wochen nach Großbritannien gebracht, erklärte Innenministerin Amber Rudd vor dem Unterhaus. Etwa 200 sind schon in den vergangenen Tagen angekommen. Das betreffende Gesetz hat der frühere Labour-Abgeordnete Alfred Dubs in die Wege geleitet. Dubs, der einen jüdischen Vater hat, wurde selbst geret- tet, als er 1938 als Kind nur wenigen Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkrieges aus der Tschechoslowakei nach Großbritannien gebracht wurde. Die Kinder und Jugendlichen aus Calais werden jedoch nicht überall im Land willkommen geheißen. Rund ein Viertel der lokalen Behörden sind einem Aufruf der Regierung, unbegleitete Kinder aufzunehmen, nicht gefolgt.
Die Räumung des Lagers in Calais dominiert seit Tagen die Berichterstattung in Großbritannien. Wie politisiert das Thema ist, erkennt man an dem Tonfall, der in vielen Berichten mitschwingt. Linksliberale Medien wie der »Guardian« und der »Independent« differenzieren noch bei der Beschreibung der Menschen aus dem »Dschungel«, sprechen von »Flüchtlingen und Migranten«. In den zu großen Teilen konservativen britischen Blättern ist dagegen fast durchweg von »Migranten« die Rede; in einigen Boulevardblättern hat die Berichterstattung einen offen rassistischen Tonfall angenommen.
Als Fotos der ersten jungen Menschen auftauchten, die nach Großbritannien gebracht worden sind, ereiferten sich einige Zeitungen, weil ihnen diese offenbar nicht jung genug aussahen. Die »Daily Mail« will eine Gesichtsanalyse von Fotos junger Lagerbewohner gemacht haben – die meisten von ihnen seien Erwachsene. Ein Kommentator im rechten Revolverblatt »Daily Express« schrieb, anstelle von Kindern seien jetzt »arrogante Erwachsene« ins Land gelassen worden. Und er fand noch Zeit, ein beliebtes Klischee in seinen Text einzubauen: »Es gab immer den Verdacht, dass viele der Dschungelbewohner entschlossen sind, Großbritannien nur zu erreichen, um Sozial- hilfe zu beantragen.« Und das könnte jetzt schon bald geschehen.
Sogar im Parlament kam es zu einem fragwürdigen Vorfall. Die Labour-Abgeordnete Chi Onwura veröffentlichte auf ihrer Twitterseite die Aufnahme eines Plakats, das in einer Kantine im Parlament gehangen haben soll. Darauf zu sehen ist ein alter arabischer Mann. Der Text lautet: »Nur drei Pfund könnten dieses zwölf Jahre alte syrische Kind eine Woche lang mit Kleidung und Essen versorgen.« Dabei ist die Zahl der Flüchtlinge geradezu verschwindend gering. In den vergangenen Jahren haben pro Jahr nur zwischen 19 000 und 25 000 Menschen einen Asylantrag in Großbritannien gestellt. Im Vorjahr waren es etwa 32 000. Einem Bericht des Unterhaues zufolge wurden bis März 2016 gerade einmal 1602 syrische Flüchtlinge umgesiedelt.