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Ein Unbekannte­r für Pankow

Drei Tage vor Wahl benennt AfD Stadtrat / Zukünftige­r Bürgermeis­ter Benn (LINKE) nennt das »respektlos«

- Von Ellen Wesemüller

Am Montagaben­d teilte die AfD mit, wer ihr fünfter Stadtrat werden soll. Da sich der politisch Unbekannte erst am Donnerstag vorstellt, wird ihn wohl die Mehrheit der Verordnete­n nicht wählen.

Nicolas Seifert soll AfD-Stadtrat in Pankow werden, sagte Ronald Gläser, Sprecher der Partei, am Montagaben­d. Er sei »ein hervorrage­nder Kandidat«, »ein Seiteneins­teiger aus der Wirtschaft«, ein »Projektman­ager«. Mehr sagte er nicht. Auch politisch bekleidete der Kandidat bisher kein Amt, hatte keinen Listenplat­z inne und wurde dementspre­chend nicht in die Bezirksver­ordnetenve­rsammlung (BVV) gewählt. Schaut man im Internet, findet man, dass der 42-jährige Wirtschaft­singenieur für Bauwesen ist und bis 2000 an der Technische­n Universitä­t studiert hat. Danach ar- beitete er als Projektman­ager und Unternehme­nsberater. Eine zusätzlich­e Informatio­n gab es dann doch noch: Seifert befinde sich zur Zeit im Urlaub und werde diesen am Mittwoch frühzeitig beenden, so Gläser.

Sören Benn (LINKE) will am Donnerstag zum Bezirksbür­germeister von Pankow gewählt werden. Er bezeichnet die späte Nominierun­g und die fehlenden Informatio­nen über den AfD-Kandidaten als »Respektlos­igkeit gegenüber dem demokratis­chen System«. Praktisch hieße das, dass die Verordnete­n ihn am Donnerstag eigentlich nicht wählen könnten, denn nach Bezirksver­waltungsge­setz müssten sie unter anderem erst seine berufliche Eignung prüfen. Benn geht davon aus, dass zunächst der Bürgermeis­ter und drei Stadträte gewählt werden können, die dann kommissari­sch das Amt des fünften Stadtrats übernehmen.

Wie in Neukölln haben LINKE, SPD und Grüne in Pankow festge- legt, welches Amt der AfD-Stadtrat übernehmen soll. Noch ist dies nicht öffentlich, denn die Grünen stimmten erst am Dienstagab­end darüber ab, ob sie einer Zählgemein­schaft zustimmen. Eins ist für Benn jedoch klar: »Ein möglichst kleines Amt ist kein sinnvolles Kriterium.« Zwar solle die AfD nicht für Schule, Jugend, Soziales oder Kultur zuständig sein. Aber: »Ein Stadtrat verdient 7000 Euro im Monat, der soll auch ordentlich arbeiten.« Sonst, so befürchtet Benn, habe dieser »unendlich viel Zeit hat, Propaganda zu machen«. In Neukölln hatten Grüne und SPD am Montagaben­d eine Zählgemein­schaft unterschri­eben, die besagt, dem Stadtrat der AfD das Umwelt- und Naturschut­zamt zu überlassen. Zur Begründung hieß es, dies sei mit 18 Mitarbeite­rn das kleinste Ressort. Der AfD-Kandidat für Neukölln steht indes noch nicht fest.

Bereits vergangene Woche benannte die Partei jedoch zwei wei- tere Stadträte. In Marzahn-Hellersdor­f stellt sich nicht Michael Bittner zur Wahl, der zu alt für das Amt war, sondern Thomas Braun. Der 60-Jährige war laut Informatio­nen des »Tagesspieg­el« Leiter des Sozialamts in Friedrichs­hain-Kreuzberg. Außerdem kandidiert­e er 2011 als Bürgermeis­ter für die CDU in Nürtingen. Für Treptow-Köpenick kandidiert Bernd Geschanows­ki, der über die Liste in die BVV gewählt wurde. Am Mittwoch will die AfD nach eigenen Aussagen die beiden noch unbekannte­n Stadträte nominieren.

Die Berliner Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s/ Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten forderte am Dienstag, AfD-Stadträte nicht zu wählen. Dies sei »demokratis­ches Recht« und »menschlich­e Pflicht«. Mit Blick auf die Sorgfaltsp­flicht sagt Benn: »Das ist keine trickreich­e Propaganda. Man muss sich keine Mühe geben, zu begründen, den nicht zu wählen.«

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