Warum Volkes Befragung zum Problem wird
Bayerns Opposition sieht ihre Rechte geschwächt
München. In vier Wochen hat der monatelange Streit um die 2015 eingeführten unverbindlichen Volksbefragungen ein Ende. Am 21. November will das Bayerische Verfassungsgericht entscheiden, ob die Änderung des Landeswahlgesetzes aus dem Vorjahr – wie von SPD und Grünen behauptet – tatsächlich gegen die Verfassung verstößt. »Es ist ein Globalangriff, der hier gefahren wird auf die bestehende Verfassungsordnung«, sagte der Rechtsanwalt der SPD-Fraktion, Michael Bihler, am Montag bei der Anhörung im Münchner Justizpalast.
Die Neuregelung kehre die gegenwärtige Regelung um, dass die Initiative für plebiszitäre Beteiligungen vom Volke ausgehe, so der Rechtsanwalt der Grünen-Fraktion, Josef Lindner: »Die Machthabenden sollen das Volk zur Unterstützung ihrer Politik befragen dürfen.« Darüber hinaus, so SPD und Grüne, werde mit der Erweiterung des Landeswahlgesetzes um Artikel 88a das Minderheitenrecht der Opposition geschwächt: Denn diese habe keine Möglichkeiten, eine Volksbefragung einzuleiten oder gar Einfluss auf die Fragestellung zu nehmen, sollte die Regierung eine durchführen.
»Die Minderheitenrechte im Landtag bleiben davon unberührt, es wird der Opposition nichts weggenommen«, sagten dagegen die Rechtsanwälte der CSU-Landtagsfraktion und der Staatsregierung übereinstimmend. Anders als von SPD und Grünen behauptet, werde mit der Neuregelung des Landeswahlgesetzes auch nicht die in der Verfassung verankerte Machtbalance zwischen Landtagsmehrheit und Regierung verschoben. Aufgrund eines mutmaßlich nur »relativ geringen Anwendungsbereiches bestehe »kaum die Gefahr einer substanziellen Machtverschiebung«.
Die Kritik von SPD und Grünen hat aber auch formelle Gründe. Sie sind der Auffassung, dass für Volksbefragungen die Verfassung geändert werden müsse, denn das Gesetz stärke die Stellung des Mi-
Veranlassen können Volksbefragungen nur die Landtagsmehrheit und die Staatsregierung, nicht die Opposition.
nisterpräsidenten über das in der Verfassung vorgesehene Maß hinaus. »Volksbefragungen à la CSU sind ein Machtinstrument, das nur die Staatsregierung, nicht aber die Mitsprachemöglichkeiten der Bürger stärkt«, betonte die Abgeordnete Katharina Schulze (Grüne).
Unverbindliche Volksbefragungen über große Verkehrsprojekte – etwa zur umstrittenen dritten Startbahn am Münchner Flughafen – und andere landesweit wichtige Entscheidungen sind seit dem 1. März 2015 möglich. Veranlassen können Volksbefragungen aber lediglich die Landtagsmehrheit und die Staatsregierung, nicht aber die Opposition. Bisher wurde von dieser Möglichkeit noch nicht Gebrauch gemacht. SPD und Grüne befürchten in Zukunft gar Volksbefragungen in Bayern wie kürzlich in Ungarn zum Umgang mit Flüchtlingen.
Nicht zu verwechseln sind die Volksbefragungen mit Volksbegehren und Volksentscheiden, die es in Bayern seit 1946 gibt. Dafür gibt es strikte Regeln, bestimmte Quoren und thematische Einschränkungen. Grundsätzlich aber können die Wähler auf diesem Wege Gesetze ändern oder erlassen. Volksbefragungen sind dagegen nicht rechtlich bindend – dürften aber politisch hohes Gewicht haben. Zumindest in dem Punkt waren sich alle Prozessbeteiligten an diesem Tag einig.