Zähe Aufarbeitung
Nach dem Unglück im Ludwigshafener BASF-Werk gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse
BASF und die rheinland-pfälzische Politik tun sich schwer mit der Aufarbeitung des jüngsten Chemieunfalles. Zumindest besuchte Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) am Dienstag das Werk. Über eine Woche nach der Katastrophe beim Ludwigshafener Chemiegiganten BASF mit drei Toten und mehreren Schwerverletzten geht die Aufarbeitung von Ursachen, Ablauf und Konsequenzen nur mühsam voran. Die Öffentlichkeit bemängelt die Informationspolitik des Chemiekonzerns. BASF betreibt im Norden der pfälzischen Metropole den weltgrößten Chemiepark und gilt als größter Arbeitgeber in Rheinland-Pfalz mit teils starkem Einfluss auf politische Entscheidungsträger und Behörden.
Nicht nur das Management, sondern auch die Verantwortlichen in Stadt und Land stehen unter Aufklärungsdruck. So werden am Donnerstag im Mainzer Landtag auf Antrag der Koalitionsfraktionen SPD, FDP und Grüne die Ausschüsse für Inneres, Umwelt und Wirtschaft zu einer Sondersitzung zusammenkommen und sich über den Stand der Erkenntnisse unterrichten lassen. Am Dienstag ließ sich der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) vom Werksleiter Uwe Liebelt auf den neuesten Stand bringen.
Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Loose (CDU) weilte am Tag des Unglücks in Ecuador, wo sie am UNO-Weltsiedlungsgipfel teilnahm. Sie brach ihren Aufenthalt ab, spielte aber seit ihrer Rückkehr keine maßgebliche Rolle bei der Bewältigung und Aufarbeitung der Krise. Bei vielen bislang BASF-nahen Akteuren in Kommunalpolitik und Verwaltung macht sich Verwunderung und Befremden über eine augenscheinliche Zurückhaltung des Konzerns bei der Aufarbeitung der Katastrophe breit. So glänzte das BASF-Management bei einer Pressekonferenz der Stadtspitze Ende vergangener Woche durch Abwesenheit. Für Donnerstag hat der Konzern eine eigene Pressekonferenz angekündigt, auf der die neuesten Erkenntnisse verkündet werden sollen. Am Montag hatte die Feuerwehr eine weitere Schadstoffmessung auf dem Gelände durchgeführt.
In den Fokus von Anwohnern der Region rückt nun auch die südlich von Ludwigshafen gelegene Rheininsel Flotzgrün. Sie ist Standort einer bald an ihre Kapazitätsgrenzen stoßenden BASF-Giftmülldeponie. Davon könnten über kurz oder lang Gefahren für die Trinkwasserversorgung der Stadt Speyer ausgehen, befürchtet der Umweltverband BUND.
Am Mittwoch tritt im Rathaus der Umweltausschuss zusammen. In den letzten Tagen haben sich in der Kommunalpolitik verstärkt die Oppositionsfraktionen zu Wort gemeldet. Vor allem LINKE und Grüne wollen den Finger in die Wunde legen: »Kann es stimmen, dass Kontrollen auf dem Werksgelände, der Wasserqualität auf dem Rhein und der Luftverschmutzung vorher mit der BASF abgesprochen werden?«, möchte die Linksfraktion wissen. Aufklärung verlangt sie auch über Sanktionen gegen die BASF bei Nichteinhaltung von Vorschriften und die Möglichkeit kürzerer Kontrollintervalle.
Kritik an unzureichender Informationspolitik nach einer Serie von Unfällen, bei denen in den letzten Mo- naten Phosgen, Formaldehyd, Chlorbenzol oder Stickoxide ausgetreten waren, und mangelnden Sicherheitsmaßnahmen durch das Management kommt auch vom Verband der Kritischen Aktionäre. Die jüngste Katastrophe und die gehäuft auftretenden Störfälle ließen vermuten, »dass sich die BASF die genaue Einhaltung gesetzlicher Vorschriften spart, weil sie zeitaufwendig sind«, so ein Verbandssprecher gegenüber »nd«. Statt bei der Arbeitssicherheit nachzufassen, verlasse man sich offenbar auf Routine. Auffällig sei, dass »der Schwerpunkt der BASF-Unfälle immer wieder mit Instandhaltungsarbeiten verbunden ist, die in jedem Chemiebetrieb sehr risikobehaftet sind«. Der Verband will nach Aussage von Geschäftsführer Markus Dufner die jüngste Katastrophe bei der nächs- ten Hauptversammlung zur Sprache bringen.
Dass das Unfallrisiko bei Wartungsarbeiten mit zunehmendem Einsatz betriebsfremder Firmen steigt, vermutet Karl-Heinz Bäuml, der sich in einem hessischen Chemiekonzern jahrelang mit Sicherheitsfragen befasst hat. Aus seiner Sicht rächen sich aber auch der Personalabbau bei den zuständigen Behörden und die zunehmende Tendenz, die Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze den Firmen zu übertragen. Das Interesse von Konzernen, Betriebsunfälle zu bagatellisieren und unter den Teppich zu kehren, liege auf der Hand. Schließlich steige mit der Zahl von gemeldeten Arbeitsunfällen der Beitrag des Unternehmens an die für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zuständige Berufsgenossenschaft, so Bäuml.