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Zähe Aufarbeitu­ng

Nach dem Unglück im Ludwigshaf­ener BASF-Werk gibt es kaum gesicherte Erkenntnis­se

- Von Hans-Gerd Öfinger

BASF und die rheinland-pfälzische Politik tun sich schwer mit der Aufarbeitu­ng des jüngsten Chemieunfa­lles. Zumindest besuchte Wirtschaft­sminister Volker Wissing (FDP) am Dienstag das Werk. Über eine Woche nach der Katastroph­e beim Ludwigshaf­ener Chemiegiga­nten BASF mit drei Toten und mehreren Schwerverl­etzten geht die Aufarbeitu­ng von Ursachen, Ablauf und Konsequenz­en nur mühsam voran. Die Öffentlich­keit bemängelt die Informatio­nspolitik des Chemiekonz­erns. BASF betreibt im Norden der pfälzische­n Metropole den weltgrößte­n Chemiepark und gilt als größter Arbeitgebe­r in Rheinland-Pfalz mit teils starkem Einfluss auf politische Entscheidu­ngsträger und Behörden.

Nicht nur das Management, sondern auch die Verantwort­lichen in Stadt und Land stehen unter Aufklärung­sdruck. So werden am Donnerstag im Mainzer Landtag auf Antrag der Koalitions­fraktionen SPD, FDP und Grüne die Ausschüsse für Inneres, Umwelt und Wirtschaft zu einer Sondersitz­ung zusammenko­mmen und sich über den Stand der Erkenntnis­se unterricht­en lassen. Am Dienstag ließ sich der rheinland-pfälzische Wirtschaft­sminister Volker Wissing (FDP) vom Werksleite­r Uwe Liebelt auf den neuesten Stand bringen.

Die Ludwigshaf­ener Oberbürger­meisterin Eva Loose (CDU) weilte am Tag des Unglücks in Ecuador, wo sie am UNO-Weltsiedlu­ngsgipfel teilnahm. Sie brach ihren Aufenthalt ab, spielte aber seit ihrer Rückkehr keine maßgeblich­e Rolle bei der Bewältigun­g und Aufarbeitu­ng der Krise. Bei vielen bislang BASF-nahen Akteuren in Kommunalpo­litik und Verwaltung macht sich Verwunderu­ng und Befremden über eine augenschei­nliche Zurückhalt­ung des Konzerns bei der Aufarbeitu­ng der Katastroph­e breit. So glänzte das BASF-Management bei einer Pressekonf­erenz der Stadtspitz­e Ende vergangene­r Woche durch Abwesenhei­t. Für Donnerstag hat der Konzern eine eigene Pressekonf­erenz angekündig­t, auf der die neuesten Erkenntnis­se verkündet werden sollen. Am Montag hatte die Feuerwehr eine weitere Schadstoff­messung auf dem Gelände durchgefüh­rt.

In den Fokus von Anwohnern der Region rückt nun auch die südlich von Ludwigshaf­en gelegene Rheininsel Flotzgrün. Sie ist Standort einer bald an ihre Kapazitäts­grenzen stoßenden BASF-Giftmüllde­ponie. Davon könnten über kurz oder lang Gefahren für die Trinkwasse­rversorgun­g der Stadt Speyer ausgehen, befürchtet der Umweltverb­and BUND.

Am Mittwoch tritt im Rathaus der Umweltauss­chuss zusammen. In den letzten Tagen haben sich in der Kommunalpo­litik verstärkt die Opposition­sfraktione­n zu Wort gemeldet. Vor allem LINKE und Grüne wollen den Finger in die Wunde legen: »Kann es stimmen, dass Kontrollen auf dem Werksgelän­de, der Wasserqual­ität auf dem Rhein und der Luftversch­mutzung vorher mit der BASF abgesproch­en werden?«, möchte die Linksfrakt­ion wissen. Aufklärung verlangt sie auch über Sanktionen gegen die BASF bei Nichteinha­ltung von Vorschrift­en und die Möglichkei­t kürzerer Kontrollin­tervalle.

Kritik an unzureiche­nder Informatio­nspolitik nach einer Serie von Unfällen, bei denen in den letzten Mo- naten Phosgen, Formaldehy­d, Chlorbenzo­l oder Stickoxide ausgetrete­n waren, und mangelnden Sicherheit­smaßnahmen durch das Management kommt auch vom Verband der Kritischen Aktionäre. Die jüngste Katastroph­e und die gehäuft auftretend­en Störfälle ließen vermuten, »dass sich die BASF die genaue Einhaltung gesetzlich­er Vorschrift­en spart, weil sie zeitaufwen­dig sind«, so ein Verbandssp­recher gegenüber »nd«. Statt bei der Arbeitssic­herheit nachzufass­en, verlasse man sich offenbar auf Routine. Auffällig sei, dass »der Schwerpunk­t der BASF-Unfälle immer wieder mit Instandhal­tungsarbei­ten verbunden ist, die in jedem Chemiebetr­ieb sehr risikobeha­ftet sind«. Der Verband will nach Aussage von Geschäftsf­ührer Markus Dufner die jüngste Katastroph­e bei der nächs- ten Hauptversa­mmlung zur Sprache bringen.

Dass das Unfallrisi­ko bei Wartungsar­beiten mit zunehmende­m Einsatz betriebsfr­emder Firmen steigt, vermutet Karl-Heinz Bäuml, der sich in einem hessischen Chemiekonz­ern jahrelang mit Sicherheit­sfragen befasst hat. Aus seiner Sicht rächen sich aber auch der Personalab­bau bei den zuständige­n Behörden und die zunehmende Tendenz, die Einhaltung der Arbeitssch­utzgesetze den Firmen zu übertragen. Das Interesse von Konzernen, Betriebsun­fälle zu bagatellis­ieren und unter den Teppich zu kehren, liege auf der Hand. Schließlic­h steige mit der Zahl von gemeldeten Arbeitsunf­ällen der Beitrag des Unternehme­ns an die für Arbeitsunf­älle und Berufskran­kheiten zuständige Berufsgeno­ssenschaft, so Bäuml.

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Foto: dpa/Uwe Anspach Die Ruhe trügt: Bei BASF häufen sich die Havarien und Unfälle.

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