Kommando Seifenoper
Die Bundeswehr gibt es bald auch als Reality-Show auf Youtube
Berlin. »Wir sind stolz auf jeden Einzelnen.« Erklärt die Bundeswehr in einer ihrer Kampagnen. Vordergründig und im Sinne des wohlig-vereinnahmenden Werbegefühls ist man stolz auf die Soldaten. Als Nicht-Teil der Zielgruppe kommt einem tatsächlich vielleicht zuerst Spott in den Sinn: Stolz sind die ja vor allem über jeden Einzelnen, den sie dazu bewegen konnten, zur Bundeswehr zu gehen. Denn das »Werben fürs Sterben«, wie Antimilitaristen und Friedensbewegte die Nachwuchssuche der Bundeswehr bezeichnen, gestaltete sich bisweilen für die Truppe gar nicht so einfach.
Weshalb Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht nur zum Ziel ausgegeben hat, die Bundeswehr zu einem »normalen« und noch dazu attraktiven Arbeitgeber zu machen, sondern auch für viel Geld immer offensiver die Werbetrommel gerührt wird. Und wo erreicht man heutzutage junge Menschen? Auf Youtube.
Dort sollen sich ab November »Die Rekruten«, echte Soldaten und Soldatinnen in der Grundausbildung, tummeln und den geneigten jugendlichen Zuschauer für den Dienst an der Waffe begeistern. Zwischen »Den Lochis«, »Dagi Bee« (bekannte Youtuber), lus- tigen und total süßen Katzenvideos, niesenden Pandababys (auch total süüüüüß) und unendlich viel anderer sinnvoller und -loser Unterhaltung nun also noch »Die Rekruten« auf Werbetour.
Eigentlich eine Steilvorlage für kreative Bundeswehrgegner und eine entsprechende Gegenkampagne. Youtube steht schließlich allen offen. Von Satire bis hin zu Fortsetzungen ist da vieles denkbar: »Nach ›Den Rekruten‹ und ›Den Soldaten‹ präsentieren wir Ihnen den Abschluss des großen Dreiteilers und zeigen nun ›Im Zinksarg‹.« Zum Beispiel.
In der kommenden Woche startet die Bundeswehr eine Art Daily-Reality-Doku-Soap zum Thema: Warum ich unbedingt Soldat werden muss! Ursula von der Leyen (CDU), die Verteidigungsministerin, lobte jüngst die aktuellen Einstellungszahlen bei der Bundeswehr. Die liegen über den guten des Vorjahres. Man verzeichne ein Plus von sechs Prozent, bei Soldaten auf Zeit sind es sogar acht Prozent. Erfreulich sei es auch, dass immer mehr Frauen zur Truppe wollten. In den vergangenen zwei Jahren registrierte man 13 Prozent, nun sei man bei 15 Prozent und wenn es um Offiziersbewerberstellen gehe, so könne jede fünfte mit einer Frau besetzt werden. »Gute Zahlen, die uns ein Ansporn sein sollten!« Die Ministerin fordert mehr Anstrengungen, da man beim Anwerben patenter junger Menschen in Konkurrenz stehe zu großen Firmen mit noch größerem Zukunftspotenzial.
Dass die Bundeswehr öffentlich mehr und selbstbewusster Werbung für sich macht, dass sie dabei frischer und frecher wird, kann angesichts der vielen Fleckentarn-Plakatwände niemandem verborgen geblieben sein. Nun, ein Jahr nach der neuen Arbeitgeberkampagne »Mach, was wirklich zählt«, will die Bundeswehr weitere Formen und Methoden ins Spiel bringen, um vor allem 17- bis 25-Jährige anzusprechen.
Am 1. November wird die neue Bundeswehrserie »Die Rekruten« auf Youtube anlaufen. Die Arbeiten an der »Reality-Dokumentation« haben bereits an der Marinetechnikschule Parow bei Stralsund begonnen. Mit Kamera und Mikrofon beobachtet man zwölf Rekruten – zehn Männer und zwei Frauen – bei ihrer Grundausbildung. Tag für Tag will man eine neue Folge ins Netz stellen. 24 Stunden in fünf Minuten. Realitätsferner kann man Grundausbildung wohl nicht beschreiben, wird sich jeder denken, der diesen Drill schon mal durchlaufen hat.
Der Stil der Serie sei »durch rasante Schnitte, eine jugendgerechte Sprache sowie eine besondere Nähe zu den Protagonisten gekennzeichnet«, heißt es in einer Vorlage für den Verteidigungsausschuss des Bundestages. Man will die Jugendlichen »in ihrer Welt« abholen und ist sich dabei durchaus gewisser Probleme Bewusst, denn: »In den Jahrzehnten vor Aussetzung der Wehrpflicht haben Millionen von Männern die Grundausbildung selbst erlebt und viele Mythen und Geschichten darüber er- zählt.« Der Inhalt vieler Berichte über die »Menschwerdung des Zivilisten« lässt sich wohl so zusammenfassen: Einmal und nie wieder! Die neue Serie soll nun aber zeigen, wie die Grundausbildung im Jahre 2016 abläuft »und warum sich heute jedes Jahr über 20 000 junge Frauen und Männer freiwillig für eine Karriere in der Bundeswehr entscheiden«.
Was lässt man sich das kosten? 1,7 Millionen Euro. Die Internet-Serie, die viele Jahre lang immer wieder aufgerufen werden kann, wird komplett aus dem Etat zur Nachwuchsgewinnung bezahlt. Der beträgt immerhin 35,3 Millionen Euro und so sind dann auch noch 6,2 Millionen Euro an sogenannten Medialeistungen – Onlinewerbung, Auftritte in sozialen Medien, Plakate und Postkarten – drin. Werbung ohne Werben geht gar nicht, denn man muss jungen Leuten ja sagen: He ihr, da ist was für euch... Und dabei als Produzenten Kasse machen.
Nicht von ungefähr hat sich das Verteidigungsministerium die »Firma Marine« als Werbeträger für den »Konzern Bundeswehr« ausgesucht. Seemannschaften sind nicht gar so reichlich zu bekommen wie Panzerbesatzungen beim Heer. Jüngst stellte man ein U-Boot in Dienst und hatte schon für die bereits vorhandenen nicht genug Besatzungen. Nun versucht man – abseits bestehender Rüstungsplanungen – der Marine fünf weitere Korvetten zuzuschieben. Dass die nicht besatzungslos vor fremden Küsten operieren können, ist klar. Bei der Marine kommt erschwerend hinzu, dass die Besatzungen über Monate hinweg fern der Heimat sind. Romantik hin oder her, das macht das familiäre Leben nicht einfacher und entspricht nicht ganz dem, was von der Leyen über Attraktivität erzählt.
Es wäre zu billig, jegliche Filme und TV-Serien über Militär – vor allem über Militär im Einsatz – abzulehnen. Es gibt auch gute Beispiele, die ihren Sinn erfüllen. Ein Vorbild ist da gewiss die US-TV-Serie »M.A.S.H.« Sie berichtet in vielen Staffeln über amerikanische Soldaten im Wahnsinn des Korea-Krieges. Knietief steht das Personal des USArmy-Feldlazaretts im Blut. Kreatives Ausflippen gegen den Wahnsinn staatlichen Mordes scheint das einzige Mittel, um sich zu wehren.
Doch derartige Anflüge von aktuellem politischem Realismus sind bei »Die Rekruten« nicht zu erwarten. »›Nach Bauer sucht Frau‹ kommt nun eine neue Show: ›Uschi sucht Soldaten‹«, monierte der friedenspolitische Sprecher der Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern. Peter Ritter meint, statt auf den Unterhaltungsfaktor zu setzen, sollte die Bundeswehr nach dem Aussetzen der Wehrpflicht auf ihren Grundgesetzauftrag Heimatverteidigung zurückgeführt werden. »Werbefilmchen fürs Sterben im Ausland braucht niemand.«
Major Burns:»Klinger!« Corporal Klinger: Sir?« Major Burns: »Wie können Sie es wagen, diesen Hut zur Uniform zu tragen?« Corporal Klinger: Weil, es ist Frühling, Sir.« Major Burns: »Ich habe Sie gewarnt. Sie werden wegen dieser Spinnereien nicht entlassen. Wenn ich Sie noch mal mit einem Hut erwische oder mit einem Büstenhalter – werde ich Sie befördern!« Dialog aus der US-Anti-Kriegsserie »M.A.S.H.«