Placebo auf höchstem Niveau
Minister de Maizière will mehr Kameras auf Bahnhöfen – auch für moderne Gesichtserkennung
Ausbau der Videoüberwachung und Einschränkung des Datenschutzes – zwei Ziele, die der Bundesinnenminister mit einem Gesetzesvorstoß verfolgt. Thomas de Maizière zeigt ab und an eine technikaffine Seite. Im August schon ließ der CDU-Bundesinnenminister wissen, wie angetan er von den Möglichkeiten sei, die Firmen zur Gesichtserkennung zur Verfügung stellen. Privatpersonen könnten Fotos über eine Software im Internet darauf prüfen, ob es sich tatsächlich um einen Promi handelte, den sie eben fotografiert haben. So etwas wünschte sich der Minister auch, in der Videotechnik auf Bahnhöfen und zugeschnitten auf den Abgleich mit Behördendaten – selbstverständlich zum Zwecke einer Erhöhung der allgemeinen Sicherheit. Die Wünsche de Maizières lösten die unvermeidliche Debatte über rechtliche und technische Grenzen einer solchen Maßnahme aus; vor allem die Frage, ob sie einer gesetzlichen Absicherung bedürfe, blieb umstritten.
Nun hat der Bundesinnenminister diese Debatte übersprungen und einen Entwurf auf den Gesetzgebungsweg gebracht – das »Videoüberwachungsverbesserungsgesetz«. Es zielt auf mehr und bessere Kameras auf Bahnhöfen und anderen hochfrequentierten Plätzen – ein immer wieder nach Anschlägen und Gewalttaten geäußerter Wunsch, der zugleich immer wieder kritisiert wird. Kritisiert deshalb, weil auch die bisher 6400 auf Bahnhöfen und 1730 auf wichtigen Flughäfen installierten und der Bundespolizei zugänglichen Kameras Straftaten natürlich nicht verhindern.
Der Einsatz von sogenannter intelligenter Videotechnik – also zum Beispiel von Gesichtserkennungssoftware – gehört offenbar zu dem Gesetzesvorhaben de Mai- zières. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hatte sein Ministerium erkennen lassen, dass rechtliche Probleme erst mit der konkreten Entscheidung für technische Varianten endgültig erörtert würden. Der Grünen-In- nenpolitiker Konstantin von Notz nennt die Planungen daher »völlig unausgegoren« und warnt: »Stellt die Überwachung des öffentlichen Raums mit herkömmlichen Kameras bereits eine Gefährdung für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, ist dies bei sogenannter ›intelligenter‹ Videotechnik umso mehr der Fall.«
Die gefährdeten Rechte unbescholtener Passanten sind das Hauptargument der Kritiker. Der jetzige Entwurf, der noch im November im Parlament landen soll, sieht deshalb vorausschauend vor, die einschlägigen Passagen des Bundesdatenschutzgesetzes zu ändern. Weil die Datenschutzbehörden der Bundesländer das letzte Wort über die Installierung von Beobachtungstechnik haben, will der Bundesinnenminister einen Gesetzespassus einfügen, nach dem die Sicherheit der Bevölkerung künftig »besonders zu berücksichtigen« sein soll.
Dies wäre ein Pauschalhindernis für jeden konkreten Einwand. Es dürfte für besonderen Unmut sorgen. Der LINKE-Innenexperte Frank Tempel ließ am Mittwoch bereits wissen, dass er Thomas de Maizière für eine Fehlbesetzung hält. Der für die Verfassung zuständige Innenminister wolle »für so ein Placebo unsere Grundrechte verkaufen«.
»Technik kann keine Taten verhindern. Das kann nur gute Polizeiarbeit.« Konstantin von Notz, Grüne