nd.DerTag

Wasser für die Massen

Brandenbur­gs Polizei meint, auf Wasserwerf­er künftig nicht mehr verzichten zu können

- Von Tomas Morgenster­n

Brandenbur­gs Polizei stellt eine Wasserwerf­erstaffel auf.

Mit dem Spardruck in den öffentlich­en Finanzen kam 2012 das Aus für die eigene Wasserwerf­erstaffel der Polizei. Der SPD-Innenminis­ter hat, von der LINKEN beargwöhnt, eine 360-Grad-Wende veranlasst. Der Wasserwerf­er 10 000 hat es Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) angetan. Das Hightechge­rät – kurz WaWe 10 kostet eine Million Euro und ist seit 2009 bundesweit im Einsatz. Nach Schröters Überzeugun­g wirkt es vor allem präventiv-abschrecke­nd »zur Vermeidung von Eingriffen in das Grundrecht auf körperlich­e Unversehrt­heit«.

Die aus seiner Sicht bestehende Notwendigk­eit einer solchen Entscheidu­ng, für die es übrigens keines Kabinettsb­eschlusses bedarf, hat der Innenminis­ter jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion im Landtag erläutert. Eingebrach­t hatte diese Andrea Johlige, die asylpoliti­sche Sprecherin der Fraktion. »Der Aufbau einer Wasserwerf­erstaffel im Land Brandenbur­g ist unter Ressourcen­aspekten, aber auch taktischen wie rechtliche­n Gründen alternativ­los«, heißt es da. »Er ist ist Ausdruck verantwort­ungsvollen, weil grundrecht­sfreundlic­hen politische­n Handelns.« Schröder wies darauf hin, dass aus diesen Gründen mit Ausnahme des Saarlands sowie der Länder Sachsen-Anhalt und Brandenbur­g »alle Polizeien der Länder und des Bundes über eigene Wasserwerf­erstaffeln« verfügten.

Grundlage seiner Entscheidu­ng sei auch, so der Minister, dass sich die Einsatzlag­e bundesweit sowie in Brandenbur­g »seit spätestens 2014 grundlegen­d verschärft« habe. Aus seiner Sicht habe sich die Zahl der Einsatzanl­ässe von 72 im Jahr 2014 über 128 (2015) bis auf 212 (Prognose 2016) fast verdreifac­ht.

Brandenbur­g, das 2012 die Wasserwerf­erstaffel seiner Polizei aus Kostengrün­den abgeschaff­t hatte, glaubt nun – wie auch Sachsen-Anhalt – , nachrüsten zu müssen. Schröter hatte bereits im März die Neuaufstel­lung einer eigenen Wasserwerf­erstaffel – bestehend aus einem WaWe 10 und einem gebrauchte­n Wagen des Vorgängert­yps (WaWe 9) – angeordnet. Die Kosten für die Fahrzeuge trägt der Bund, das Land wird für die Spezialaus­bildung und die Dienstbezü­ge sowie für die Nutzung der Fahrzeuge rund 100 000 Euro im Jahr aufbringen müssen.

Andrea Johlige ist von den Gründen, die der Innenminis­ter für die Aufrüstung der Brandenbur­ger Polizei mit neuem Großgerät vorbringt, nicht wirklich überzeugt. Dem »nd« sagte die LINKE-Abgeordnet­e: »Vor allem bezweifle ich, dass der Einsatz von Wasserwerf­ern, wie es Schröter erwartet, deeskalier­end wirkt. Der grundsätzl­iche Dissens ist, dass das Innenminis­terium deren Einsatz als Mittel der Deeskalati­on sieht.« Sie sei ganz im Gegensatz der Ansicht, dass dadurch eine Situation sogar eher

Andrea Johlige, DIE LINKE

noch angeheizt werde. Dass bei den fremdenfei­ndlichen Pogida-Aufmärsche­n in diesem Jahr in Potsdam aus anderen Bundesländ­ern zur Unterstütz­ung angeforder­te Wasserwerf­er aufgefahre­n seien, habe die Lage jedenfalls nicht entspannt.

Dem stimmt der Potsdamer Bundestags­abgeordnet­e Norbert Müller (LINKE) zu, der diese Aufmärsche beobachtet und den Gegendemon­stranten den Rücken gestärkt hat. »Es war der Widerstand der Potsdamer, der dazu geführt hat, dass am Ende nur noch ein paar Nazis zusammen- kamen und unverricht­eter Dinge wieder abziehen mussten«, sagte er. Dass es bei der ersten Pogida-Demo Anfang Januar zu Auseinande­rsetzungen mit Nazis aus Berlin kam, sei auf falsche Polizeitak­tik zurückzufü­hren gewesen. Daran hätte ein Einsatz von Wasserwerf­ern nichts geändert.

Nach Einschätzu­ng Johliges zählt der Einsatz von Wasserwerf­ern »glückliche­rweise« nicht zur Brandenbur­ger Polizeitra­dition. Es gebe nur wenige Anlässe, wo ein solcher Einsatz Sinn ergeben könne. In Brandenbur­g seit das 2015 der Fall gewesen, als beim »Tag der deutschen Zukunft« in Neuruppin eine direkte Konfrontat­ion zwischen Neonazis und linken Aktivisten verhindert werden musste. Andrea Johlige widersprac­h auch dem von Minister Schröter bemühten Kostenargu­ment. Pro Einsatz fremder Wasserwerf­er entstünden dem Land im Durchschni­tt 10 000 Euro Kosten, der Unterhalt der ganzen Staffel werde die zehnfache Summe verschling­en.

Die Linksfrakt­ion werde das Vorgehen der Polizei kritisch begleiten. Sie sehe die Gefahr, dass die Wasserwerf­er, einmal angeschaff­t, auch aufgefahre­n werden, so Johlige.

Daran sei nicht vor 2017 zu denken, heißt es im Polizeiprä­sidium. Noch sei kein Fahrzeug verfügbar, die Ausbildung werde Monate dauern.

»Der grundsätzl­iche Dissens ist, dass das Innenminis­terium Wasserwerf­er als Mittel der Deeskalati­on sieht.«

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Foto: dpa/Malte Christians Der Wasserwerf­er 10 000 (WaWe 10) – hier ein Fahrzeug aus Hamburg – ist bei Bundes- und Länderpoli­zeien seit 2009 im Einsatz

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