Wasser für die Massen
Brandenburgs Polizei meint, auf Wasserwerfer künftig nicht mehr verzichten zu können
Brandenburgs Polizei stellt eine Wasserwerferstaffel auf.
Mit dem Spardruck in den öffentlichen Finanzen kam 2012 das Aus für die eigene Wasserwerferstaffel der Polizei. Der SPD-Innenminister hat, von der LINKEN beargwöhnt, eine 360-Grad-Wende veranlasst. Der Wasserwerfer 10 000 hat es Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) angetan. Das Hightechgerät – kurz WaWe 10 kostet eine Million Euro und ist seit 2009 bundesweit im Einsatz. Nach Schröters Überzeugung wirkt es vor allem präventiv-abschreckend »zur Vermeidung von Eingriffen in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit«.
Die aus seiner Sicht bestehende Notwendigkeit einer solchen Entscheidung, für die es übrigens keines Kabinettsbeschlusses bedarf, hat der Innenminister jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Landtag erläutert. Eingebracht hatte diese Andrea Johlige, die asylpolitische Sprecherin der Fraktion. »Der Aufbau einer Wasserwerferstaffel im Land Brandenburg ist unter Ressourcenaspekten, aber auch taktischen wie rechtlichen Gründen alternativlos«, heißt es da. »Er ist ist Ausdruck verantwortungsvollen, weil grundrechtsfreundlichen politischen Handelns.« Schröder wies darauf hin, dass aus diesen Gründen mit Ausnahme des Saarlands sowie der Länder Sachsen-Anhalt und Brandenburg »alle Polizeien der Länder und des Bundes über eigene Wasserwerferstaffeln« verfügten.
Grundlage seiner Entscheidung sei auch, so der Minister, dass sich die Einsatzlage bundesweit sowie in Brandenburg »seit spätestens 2014 grundlegend verschärft« habe. Aus seiner Sicht habe sich die Zahl der Einsatzanlässe von 72 im Jahr 2014 über 128 (2015) bis auf 212 (Prognose 2016) fast verdreifacht.
Brandenburg, das 2012 die Wasserwerferstaffel seiner Polizei aus Kostengründen abgeschafft hatte, glaubt nun – wie auch Sachsen-Anhalt – , nachrüsten zu müssen. Schröter hatte bereits im März die Neuaufstellung einer eigenen Wasserwerferstaffel – bestehend aus einem WaWe 10 und einem gebrauchten Wagen des Vorgängertyps (WaWe 9) – angeordnet. Die Kosten für die Fahrzeuge trägt der Bund, das Land wird für die Spezialausbildung und die Dienstbezüge sowie für die Nutzung der Fahrzeuge rund 100 000 Euro im Jahr aufbringen müssen.
Andrea Johlige ist von den Gründen, die der Innenminister für die Aufrüstung der Brandenburger Polizei mit neuem Großgerät vorbringt, nicht wirklich überzeugt. Dem »nd« sagte die LINKE-Abgeordnete: »Vor allem bezweifle ich, dass der Einsatz von Wasserwerfern, wie es Schröter erwartet, deeskalierend wirkt. Der grundsätzliche Dissens ist, dass das Innenministerium deren Einsatz als Mittel der Deeskalation sieht.« Sie sei ganz im Gegensatz der Ansicht, dass dadurch eine Situation sogar eher
Andrea Johlige, DIE LINKE
noch angeheizt werde. Dass bei den fremdenfeindlichen Pogida-Aufmärschen in diesem Jahr in Potsdam aus anderen Bundesländern zur Unterstützung angeforderte Wasserwerfer aufgefahren seien, habe die Lage jedenfalls nicht entspannt.
Dem stimmt der Potsdamer Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (LINKE) zu, der diese Aufmärsche beobachtet und den Gegendemonstranten den Rücken gestärkt hat. »Es war der Widerstand der Potsdamer, der dazu geführt hat, dass am Ende nur noch ein paar Nazis zusammen- kamen und unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten«, sagte er. Dass es bei der ersten Pogida-Demo Anfang Januar zu Auseinandersetzungen mit Nazis aus Berlin kam, sei auf falsche Polizeitaktik zurückzuführen gewesen. Daran hätte ein Einsatz von Wasserwerfern nichts geändert.
Nach Einschätzung Johliges zählt der Einsatz von Wasserwerfern »glücklicherweise« nicht zur Brandenburger Polizeitradition. Es gebe nur wenige Anlässe, wo ein solcher Einsatz Sinn ergeben könne. In Brandenburg seit das 2015 der Fall gewesen, als beim »Tag der deutschen Zukunft« in Neuruppin eine direkte Konfrontation zwischen Neonazis und linken Aktivisten verhindert werden musste. Andrea Johlige widersprach auch dem von Minister Schröter bemühten Kostenargument. Pro Einsatz fremder Wasserwerfer entstünden dem Land im Durchschnitt 10 000 Euro Kosten, der Unterhalt der ganzen Staffel werde die zehnfache Summe verschlingen.
Die Linksfraktion werde das Vorgehen der Polizei kritisch begleiten. Sie sehe die Gefahr, dass die Wasserwerfer, einmal angeschafft, auch aufgefahren werden, so Johlige.
Daran sei nicht vor 2017 zu denken, heißt es im Polizeipräsidium. Noch sei kein Fahrzeug verfügbar, die Ausbildung werde Monate dauern.
»Der grundsätzliche Dissens ist, dass das Innenministerium Wasserwerfer als Mittel der Deeskalation sieht.«