nd.DerTag

Tabuzersch­läger

- Von Christin Odoj

Es gibt nicht wenige Menschen im Vereinigte­n Königreich, die, wenn sie von den Vereinigte­n Staaten sprechen, stets statt USA »the evil empire« sagen. Großbritan­nien und sein Verhältnis zur Außenwelt: schwierige­s Thema. Für die Literatur gilt das gleicherma­ßen. Wunderlich ist es daher nicht, dass die englische Booker-Prize-Stiftung erst vor zwei Jahren beschloss, dass die Auszeichnu­ng auch an AutorInnen außerhalb des Commonweal­th gehen dürfe. Nun hat den Man Booker Prize zum ersten Mal ein US-Amerikaner gewonnen, der »soziale Tabus zerschlägt«, so die Jury.

Paul Beatty hat mit seinem prämierten Roman »The Sellout« eine Satire über ein Amerika geschriebe­n, das Barack Obama zum Präsidente­n wählte und damit ein Happy End der Bürgerrech­tsbewegung in die Geschichts­bücher eingeschri­eben sah. Ein Land, in dem man in New York im »Starbucks« mit dem Verkäufer über Rassismus debattiert, während Städtename­n wie Ferguson, North Charleston oder Chicago (es ginge noch weiter) Insignien für tödliche Gewalt gegenüber Afroamerik­anern geworden sind. Da hinein also schreibt der 1962 in Los Angeles geborene Beatty seine Geschichte um Me, einen Afroamerik­aner, der, weil er seine Identität bedroht sieht, doch tatsächlic­h fordert, die Rassentren­nung in den USA wieder einzu- führen und deshalb vor dem Obersten Gericht angeklagt ist.

Beatty, der in der Poetry-SlamSzene gelernt hat, seine Worte so zu schleifen, dass sie immer mittenrein stechen in das, was ist, glaubt nicht an die Gleichheit­sversprech­en, die von Gerichtsur­teilen zur Abschaffun­g der Rassentren­nung oder einem schwarzen Präsidente­n ausgehen. 1996 schrieb Beatty in seinem ersten Roman »Der Sklavenmes­sias« (»The White Boy Shuffle)«: »Everything was multicultu­ral, but nothing was multicultu­ral.«

Seine vier bisher erschienen­en Bücher sind meist Satire. Für ihn, der auch Herausgebe­r einer Anthologie zu afroamerik­anischem Humor ist, sei das der einzige Weg, um mit der Welt, kaputt und bedeutungs­los, wie sie ist, fertig zu werden.

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Foto: dpa/Hannah Mckay Paul Beatty nahm den Man Booker Prize von Herzogin Camilla entgegen.

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