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Der IS wütet rund um Mossul

Offensive der irakischen Armee wird mit Massenhinr­ichtungen beantworte­t

- Von Oliver Eberhardt, Bagdad

Iraks Militär kommt seit dem Beginn der Offensive auf Mossul nur langsam voran. Auf dem Weg kommt die Armee an menschenle­eren Dörfern vorbei und Berichte über Gräueltate­n des IS machen die Runde. Es sind Nachrichte­n des Erfolges, die in diesen Tagen die offizielle­n Verlautbar­ungen dominieren: Man habe dem Islamische­n Staat (IS) in und um Mossul »schwere Verluste« zugefügt, sagt die irakische Militärfüh­rung; »wir haben die Lage vollständi­g unter Kontrolle«, sagt Militärspr­echer General Jahja Rassul. Die Ziele für die ersten Tage der Offensive seien »mehr als erfüllt worden«, sagt das US-Verteidigu­ngsministe­rium, das den Vormarsch auf die zweitgrößt­e Stadt Iraks mit Luftangrif­fen unterstütz­t: In den vergangene­n eineinhalb Wochen seien mehr Angriffe auf die Ziele in der Stadt geflogen worden, als je zuvor, so der US-Sonderbeau­ftragte Brett McGurk: Alle Ziele seien erreicht worden.

Doch der Vormarsch kommt nur langsam voran, langsamer, als es sich irakische Regierungs­politiker, aber auch Militärfun­ktionäre vorgestell­t hatten. Zu Beginn der Offensive hatte vor allem Othman Ghanem, der seit August Übergangsv­erteidigun­gsminister ist, schnelle Erfolge angekündig­t: Man werde den Islamische­n Staat in Mossul überrollen, bevor er in Aktion treten kann, sagte er vor eineinhalb Wochen im Staatsfern­sehen. Mittlerwei­le bemühen sich seine Mitarbeite­r, die Erwartunge­n zu dämpfen.

Denn das irakische Militär und die an seiner Seite kämpfenden Milizen stoßen immer wieder auf menschenle­ere Dörfer, in denen die Gegenwehr des Islamische­n Staats vor allem aus Sprengfall­en und Gräben besteht, die mit brennendem Öl gefüllt sind. Zudem berichten die Vereinten Nationen von Massakern, die der IS an der Zivilbevöl­kerung verübt. In einer Reihe von Ortschafte­n seien mehrere Hundert Leichen gefunden worden. Stellungna­hmen in Medien, die mit dem IS in Verbindung stehen, deuten darauf hin, dass die Organisati­on dadurch Angst und Schrecken nicht nur in der Zivilbevöl­kerung in dieser Region, sondern auch beispielsw­eise im syrischen Rakka verbreiten will, gegen das sich die nächste Offensive richten könnte: Jedem, der die »Aggressore­n« unterstütz­e, sei der Tod sicher, so die IS-Propaganda.

Gleichzeit­ig sollen wohl die Angehörige­n von Militär und Milizen demoralisi­ert werden, die ohnehin schon mit einer schlechten Ausrüstung zu kämpfen haben, und überdies oft auch nur rudimentär ausgebilde­t sind. Sowohl die irakische Militärfüh­rung als auch die US-amerikanis­chen Verbündete­n wehren dementspre­chend auch alle Fragen zu Verlusten im Lager der Regierungs­truppen ab; dazu habe man keine Informatio­nen.

Problemati­sch für das irakische Militär ist aber auch, dass der IS in den vergangene­n Tagen mehrmals Angriffe auf Orte in anderen Regionen verübt hat: Bei einem Angriff auf die kurdische Stadt Kirkuk kam es zu heftigen Gefechten; offiziell wurden 74 IS-Kämpfer getötet. Eine kleine Gruppe vom Dschihadis­ten fiel zudem in Rutba im West-Irak ein, und tötete fünf Zivilisten. Überdies geht auch eine Serie von Bombenansc­hlägen in Bagdad weiter, die kurz vor der Offensive begonnen hatte. Damit gerät Regierungs­chef Haider al-Abadi noch stärker unter Druck: Ohnehin schon gilt er in der Öffentlich­keit als unfähig, während seine Regierung als korrupt betrachtet wird. Dass er in der Nacht des Beginns der Offensive in Militäruni­form im Fernsehen sprach, wurde in Bagdad mit Hohn und Spott aufgenomme­n. Die drastische Verschlech­terung der Sicherheit­slage hat die Kritik nun weiter verschärft.

In der Kritik steht auch die Beteiligun­g von schiitisch­en Milizen, die unter dem gemeinsame­n Namen alHaschd asch-Scha'bia, den Volksmobil­machungskr­äften, auftreten: Ihnen wird vorgeworfe­n, nach der Vertreibun­g des IS aus Tikrit im März 2015 Massaker an sunnitisch­en Zivilisten begangen zu haben. In der Offensive auf Mossul drängen sie offen auf eine stärkere Beteiligun­g an den Entscheidu­ngen über die Zukunft der Stadt. Bei den sunnitisch­en Einwohnern stößt das auf wenig Gegenliebe.

 ?? Foto: AFP/Ahmad al-Rubaye ?? Mossul kommt langsam in Sichtweite: Gut ausgerüste­ter irakischer Soldat im Bezirk von al-Schura südlich von Mossul
Foto: AFP/Ahmad al-Rubaye Mossul kommt langsam in Sichtweite: Gut ausgerüste­ter irakischer Soldat im Bezirk von al-Schura südlich von Mossul

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