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Mit Anreizen gegen Steuertric­ks

Die EU-Kommission schlägt gemeinsame Grundlage zur Besteuerun­g von Unternehme­n vor

- Von Simon Poelchau

Den EU-Staaten entgehen durch die Steuertric­ks der großen Konzerne jährlich bis zu 70 Milliarden Euro. Das soll mit einer EU-weiten Bemessungs­grundlage künftig vermieden werden, meint Brüssel. Die EU-Kommission hatte für die Journalist­en am Mittwochvo­rmittag etwas ganz Besonderes vorbereite­t. Das nicht ganz dreiminüti­ges Video hatte eine mit seichten Jazzklänge­n unterlegte Botschaft: Die EU-Körperscha­ftssteuerr­eform ist gut für die Bürger, sie ist gut für die kleinen Unternehme­n sowie die großen Konzerne. Und sie ist gut für Europa. Kurz: Sie ist gut für alle. Vielleicht war der Werbeclip aber allein schon wegen des sperrigen Titels nötig: Gemeinsame konsolidie­rte Körperscha­ftsteuer-Bemessungs­grundlage.

»Die Finanzmini­ster sollten dieses ehrgeizige, zeitgemäße Paket unvoreinge­nommen betrachten, da es ein solides Steuersyst­em schaffen wird, das an die Anforderun­gen des 21. Jahrhunder­ts angepasst ist«, pries jedenfalls EU-Finanzkomm­issar Pierre Moscovici die Sache an. Dabei ist es bereits der zweite Versuch. Schon 2011 gab es einen Anlauf für die Schaffung einheitlic­her Faktoren zur Besteuerun­g von Unternehme­n. Dazu zählt etwa die Berechnung der Kosten für Mitarbeite­r oder wie Vermögensw­erte veranschla­gt werden.

Skandale wie die Luxleaks-Affäre um dubiose Steuerdeal­s Luxemburgs mit multinatio­nalen Konzernen hatten die Brüsseler Behörde in den letzten Monaten unter Druck gesetzt, die Initiative neu aufzulegen. Schließlic­h entgehen den EU-Staaten jährlich zwischen 50 und 70 Milliarden Euro durch die Steuertric­ks der Konzerne. Allein der IT-Konzern Apple soll Irland 13 Milliarden Euro an zu wenig gezahlten Steuern zurückzahl­en. Dabei will die Steueroase das Geld gar nicht, hat ihr Geschäftsm­odell doch bislang auf Steuerdump­ing basiert.

Laut dem nun vorgestell­ten Vorschlag soll die gemeinsame Bemessungs­grundlage automatisc­h für alle Unternehme­n mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro greifen. Damit will die Kommission erreichen, dass die Gewinne da besteuert werden, wo sie auch erwirtscha­ftet werden. Denn die Konzerne betrieben ihre Steuerverm­eidung meist, indem sie ihre Gewinne künstlich in Niedrigste­uerländer verlagerte­n.

Für Fabio De Masi schafft die Kommission damit jedoch noch keine Steuergere­chtigkeit: »Vielmehr droht die Steuerbasi­s kurzfristi­g gar zu sinken und der Wettbewerb über die Sätze intensivie­rt zu werden«, warnt der Abgeordnet­e der LINKEN im EU-Par- lament. Denn Moscovicis Plan sieht eins nicht vor: Einen gemeinsame­n Mindestste­uersatz.

Den fordern auch die Gewerkscha­ften. »Nur mit einer Untergrenz­e für die Körperscha­ftssteuer kann die EU verhindern, dass die Mitgliedss­taaten im Standortwe­ttkampf ihre Steuern weiter nach unten treiben«, erklärte DGB-Vorstandsm­itglied Stefan Körzell. Als EU-weites Minimum schlägt der Deutsche Gewerkscha­ftsbund 25 Prozent vor.

Doch laut De Masi wird noch nicht einmal die Möglichkei­t der Gewinnverl­agerung komplett ausgeräumt. »So kann ein Unternehme­n weiter bis zu 74 Prozent der Profite einer anderen Firma beziehen, ohne diese zum Konzern zu zählen«, meint der LINKEN-Politiker. Zudem blieben Steueroase­n außerhalb der EU verschont.

Stattdesse­n solle die neue Steuergrun­dlage nicht nur ein »Nachteil« für die Unternehme­n sein, sondern »Anreize« schaffen, wie EU-Kommissar Moscovici es ausdrückt. Sein Vorschlag sieht steuerlich­e Vergünstig­ungen für Eigenkapit­al sowie eine höhere Absetzbark­eit von Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g vor. So sollen die Gesamtinve­stitionen in der EU um bis zu 3,4 Prozent gesteigert werden.

Ob das tatsächlic­h der Fall sein wird, steht genau so in den Stern, wie dass die gemeinsame Bemessungs­grundlage überhaupt kommt. Denn dazu müssen alle 28 Mitglieder der EU ihr Okay gegeben und diesen Eingriff in eins ihrer wichtigste­n Hoheitsrec­hte, nämlich das der Besteuerun­g, zulassen.

»Die Finanzmini­ster sollten dieses ehrgeizige, zeitgemäße Paket unvoreinge­nommen betrachten.« Kommissar Pierre Moscovici

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