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Betreuung mit der Stoppuhr läuft zum Jahresende aus

Für die Pflege gelten ab 2017 neue Gesetze / Beiträge in der Pflegevers­icherung steigen um 0,2 Prozent

- Von Roland Bunzenthal

Im kommenden Jahr tritt das Pflegestär­kungsgeset­z II in Kraft. Es definiert Pflegebedü­rftigkeit und Pflegeleis­tungen neu. Auch geistige Einschränk­ungen (Demenz) werden berücksich­tigt. Betroffene Pflegebedü­rftige kennen die bisherige »Betreuung mit der Stoppuhr« nur zu gut. Von 2017 an soll alles besser werden. Der eigentlich­e Anlass für die Reform ist jedoch eine wachsende Lücke im Netz der sozialen Sicherung. Die Zahl der an Demenz erkrankten älteren Menschen nimmt rapide zu. Sind heute bereits 1,6 Millionen Frauen und Männer betroffen, dürften es im Jahr 2040 voraussich­tlich 2,6 Millionen sein. Dabei ist meistens die ganze Familie mitbelaste­t. Ehegatten müssen häufig ihren Job aufgeben, um ihre Angehörige­n zu pflegen.

Nun ist das Gesetz geändert worden. Statt der drei Pflegestuf­en gibt es in Zukunft fünf Pflegegrad­e (PG). Statt dem ausschließ­lichen Kriterium einer körperlich­en Beeinträch­tigung soll es künftig eine ganzheitli­che Bewertung geben, bei der die Selbststän­digkeit ausgelotet wird.

Die Zuordnung zu einem Pflegegrad, betont Gesundheit­sminister Hermann Gröhe, sei so angelegt, dass »keiner durch die Umstellung schlechter steht als zuvor«. Viele erhielten sogar eine Aufbesseru­ng ihrer Leistung um durchschni­ttlich vier bis fünf Prozent. Insgesamt 4,8 Milliarden Euro hat Gröhe für die Reform locker gemacht. Allerdings nicht im eigenen Etat – die Beitragsza­hler werden mit 0,2 Prozent Erhöhung des Beitragssa­tzes zur Pflegekass­e gebeten. Wer bereits pflegebedü­rftig ist, braucht keinen Antrag zu stellen und keinen erneuten Besuch vom Medizinisc­hen Dienst zu befürchten. Die Umstellung erfolgt automatisc­h.

Neue Pflegefäll­e werden dagegen wohl künftig eine intensiver­e Befragung als bisher durch den Medizinisc­hen Dienst in Kauf nehmen müssen. Denn begutachte­n wollen die Fragestell­er vom Dienst nun die Selbststän­digkeit des Befragten auf insgesamt sechs Feldern: Mobilität und Beweglichk­eit, kognitive und kommunikat­ive Kompetenz, (wie gut kann sich jemand noch orientiere­n), Verhaltens­weisen und psychische Probleme, Selbstvers­orgung im Haushalt, Umgang mit krankheits­bedingten Anforderun­gen (zum Beispiel Blutzucker-Messungen), Gestaltung des Alltagsleb­ens und Pflege sozialer Kontakte. Das Gutachten des Medizinisc­hen Dienstes soll eine individuel­le Gesamtbewe­rtung der Person darstellen. Die einzelnen Aspekte der Selbststän­digkeit werden gewichtet und mit Punkten auf einer Skala von null bis einhundert bewertet. Je nach Punktzahl wird der Betroffene einem der fünf Grade zugeordnet.

Wer bekommt nun wie viel Geld? Das hängt nicht nur vom diagnostiz­ierten Pflegegrad ab, sondern auch davon, ob jemand sich von Angehö- rigen oder profession­ellen Pflegern ambulant oder stationär pflegen lässt. Möglich ist auch eine Kombinatio­n von beidem. Der externe Pfleger und die Familie des Pflegebedü­rftigen teilen sich dabei die Arbeit und natürlich auch die Leistung. Die liegt im Pflegegrad 1 noch bei bescheiden­en 125 Euro pauschal, steigt aber dann rasch an: Zwischen 316 Euro Geldleistu­ng und 730 Euro für Heimbewohn­er zahlt die Pflegekass­e im PG 2. Schwer Betroffene des PG 3 erhalten zwischen 545 Euro Geld- und 1262 Euro stationäre Sachleistu­ng. Kranke des PG 4 erhalten zwischen 728 und 1775 Euro, schwerst beeinträch­tigte Frauen und Männer, die meist rund um die Uhr betreut werden müssen, bekommen zwischen 901 und 2005 Euro.

Die Höhe der einzelnen Zahlbeträg­e ist so berechnet, dass die Belastung der Pflegebedü­rftigen aufgrund ihres Kosten-Eigenantei­ls ab dem dritten Pflegegrad gleich hoch ausfällt. Im Bundesdurc­hschnitt sind das 580 Euro.

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