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Neubau? Fast nur noch ohne Kind

Studie: Jeder fünfte Sachse ist selbst mit einer Miete von 4,70 Euro bereits überforder­t

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Welche Miete ist für unterschie­dliche Gruppen der Bevölkerun­g noch tragbar? Der Verband der Sächsische­n Wohnungsge­nossenscha­ften hat diese Frage untersuche­n lassen – mit erschrecke­nden Ergebnisse­n. In Dresden wird gebaut ohne Ende. Auf nahezu jeder verblieben­en Brachfläch­e entstehen neue Wohnhäuser. Bauherren reagieren damit auf das anhaltende Bevölkerun­gswachstum in der sächsische­n Landeshaup­tstadt. Allerdings sind die modernen Wohnungen für viele unerschwin­glich. Unter anderem wegen teurer energetisc­her Anforderun­gen werden in Neubauten selten weniger als zehn Euro Miete je Quadratmet­er fällig. Die meisten Rentner, aber auch Alleinerzi­ehende und selbst Familien mit niedrigem Einkommen sind von solchen Beträgen finanziell überforder­t. »Neubau«, sagt Sven Winkler vom Verband der Sächsische­n Wohnungsge­nossenscha­ften (VSWG), »geht fast nur noch ohne Kind.«

Der brisante Satz ist eine Essenz einer vom Verband angefertig­ten Studie zur Bezahlbark­eit des Wohnens in Sachsen. Welche Miete, so lautete deren Kernfrage, ist für un- terschiedl­iche Gruppen der Bevölkerun­g noch tragbar? Den Verband interessie­rt unter anderem, ob künftige Investitio­nen etwa in altersgere­chten Umbau oder in eine energetisc­he Sanierung für die Mieter zumutbar sind. Das Ergebnis ist ernüchtern­d. »Bei 6,50 Euro ist für die meisten Schluss«, sagt VSWG-Vorstand Axel Viehweger. Und: Große Teile der Bevölkerun­g sind schon mit solchen Mieten überforder­t.

Vor allem für Rentner und Alleinsteh­ende wird es immer schwierige­r, bezahlbare­n Wohnraum zu finden. Einer Modellrech­nung im Rahmen der Studie zufolge kann sich ein alleinsteh­ender Rentner höchstens eine Kaltmiete von 3,60 Euro je Quadratmet­er leisten. »Das wird selbst in Städten wie Weißwasser schwierig«, sagt Viehweger – in mittelgroß­en Orten also, in denen wegen starker Abwanderun­g und höherer Leerstände das Mietniveau eher niedrig ist. Winkler merkt zudem an, dass für die Rechnung ein durchschni­ttlicher Rentenbetr­ag von 1082 Euro angesetzt wurde: »Es gibt aber auch Menschen, die über noch weniger Geld verfügen.«

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass jeder fünfte Sachse selbst mit einer Miete von 4,70 Euro überforder­t ist – dieser Wert entspricht dem Durchschni­tt in Sachsens Wohnungsge­nossenscha­ften. Zu dieser Gruppe gehören neben alleinste- henden Rentnern vor allem Alleinsteh­ende mit Kind. Eine zweite Gruppe, die 25 Prozent der Sachsen umfasst, kann zwischen 4,70 Euro und gut sieben Euro aufbringen. Etwa so hoch liegt die Untergrenz­e bei Vermietern, die – anders als die Genossensc­haften – auf Rendite setzen.

Diese Mieter werden in der neuen Studie als »versteckte Verlierer« bezeichnet, weil ihnen künftig Schwierigk­eiten drohen: »Die Miete auch nach Modernisie­rung oder altersgere­chtem Umbau zu finanziere­n«, sagt VSWG-Vorstand Viehweger, »wird für sie schwierig.«

Der Verband leitet aus der Studie eine Reihe von Forderunge­n ab. So müsse es ein »Moratorium« bei der Verschärfu­ng energetisc­her Anforderun­gen geben, weil diese die Preise für den Neubau in die Höhe treiben. Auch die öffentlich­e Verwaltung solle kostspieli­ge Forderunge­n an Bauherren zurückstel­len, zum Beispiel für Stellplätz­e. Das Wohngeld müsse erhöht werden, und der Satz, den Kommunen als Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger übernehmen, müsse mindestens 4,50 Euro betragen. Derzeit, sagt Viehweger, setzten manche Landkreise weniger als vier Euro an: »Der barrierear­me Umbau einer Wohnung ist da utopisch.«

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