Trübe Aussichten für den Zebrastreifen
Überwege werden den Gemeinden inzwischen oft zu teuer
Der Straßenverkehr hat irgendwas von Wildnis – so voller Pferdestärken, Starenkästen, Zebrastreifen. Letzterer könnte künftig auf die Rote Liste kommen, im Ammerland ist er schon ganz verschwunden. Ein Eimer weißer Farbe und ein Pinsel waren früher alles, was man für einen Zebrastreifen brauchte. Heute ist das anders. Eine im Beamtendeutsch R-FGÜ genannte Verordnung macht Zebrastreifen zu ausgeklügelten »Systemen« – mit Markierungen auf der Straße, einer Mindest-Streifenbreite, Schildern über der Fahrbahn, abgesenktem Bürgersteig für Rollstuhlfahrer, Auffindstreifen für Blinde und ausreichend Beleuchtung. Längst nicht alle Städte rüsten die Zebrastreifen entsprechend nach. Manche überpinseln lieber.
Trier zum Beispiel hat genau 253 Zebrastreifen, das sind – auf die Einwohnerzahl gerechnet – besonders viele. Dementsprechend teuer wäre die Nachrüstung für die Stadt, die ein Schuldenberg von 672 Millionen Euro drückt. Allein die Kosten für die Installation von Laternen an einem bisher unbeleuchteten Zebrastreifen dürfte zwischen 20 000 bis 25 000 Euro kosten, schätzt die Stadt. Seit Anfang des Jahres überprüft Trier alle weißen Streifen. Bald soll es eine Liste geben, in der steht, wo sie bleiben und wo sie wegkommen.
»Unsere Angst ist, dass die Kommunen sagen: Brauchen wir den Zebrastreifen wirklich, oder können wir das Geld lieber für etwas Anderes verwenden?«, sagt Stefan Lieb vom Fach- verband Fußverkehr (Fuss). Die Verwaltungsvorschrift, die Lage und Ausstattung von Zebrastreifen regelt, sei zwar schon ein paar Jahre alt. Aber erst jetzt überprüften viele Kommunen, ob sie die Normen wirklich einhalten.
Für den Verband Fuss ist klar: Je mehr Zebrastreifen, desto besser. Dieser Aussage widerspricht der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der eine Untersuchung zur Sicherheit von Zebrastreifen erstellt hat. »Wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden, vermittelt ein Zebrastreifen nur eine Scheinsicherheit«, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung bei der GDV. Richtig geplante und ausgestattete Zebrastreifen seien hingegen so sicher wie Ampeln.
Daran wiederum glaubt man im Ammerland nicht. Im ganzen Land- kreis im Nordwesten von Niedersachsen sind die Zebrastreifen entfernt worden. »Wir hatten viele Unfälle oder Fast-Unfälle, weil die Autofahrer sich nicht darauf eingelassen haben, dass die Fußgänger Vorfahrt haben«, sagt Landrat Jörg Bensberg. Dort, wo die Autofahrer die Zebrastreifen eher akzeptieren, könnten Kommunen vielleicht andere Wege gehen. Bensberg findet: »Zebrastreifen sind eher ein städtisches Mittel. Wir sind ein ländlicher Landkreis.« Dabei hat auch das Ammerland Städte, etwa Bad Zwischenahn. »Dort müssen die Leute russisches Roulette spielen, wenn sie am Rathaus über die Hauptstraße wollen«, sagt Volkmar Siems. Im benachbarten Apen wiederum könnten Kinder auf einer Strecke von mehr als einem Kilometer nicht über die Straße laufen, sagt Siems, der Ratsherr in Apen ist. »Mein Achtjähriger hat in der Grundschule gelernt, wie er über Zebrastreifen gehen soll. Die Frage ist nur: Wo? Bei uns gibt es gar keine!«
Im Ammerland stehen nun oft Fahrbahnteiler, auf denen sich die Fußgänger ausruhen können, ehe sie die zweite Fahrbahn in Angriff nehmen. Andere Kommunen haben viele Tempo-30-Zonen eingeführt – und dort sind Fußgängerüberwege laut der Verwaltungsvorschrift nicht mehr nötig.
In hessischen Eltville etwa verschwand der Zebrastreifen auf dem Weg von der Fußgängerzone zum Rhein, weil die Autofahrer an dem Übergang nun auf 20 Stundenkilometer abgebremst werden. »Dort ist keine zusätzliche Sicherung mehr not- wendig, weil wir davon ausgehen, dass die Autofahrer langsam fahren«, sagt Hauptamtsleiter Michael Stutze.
Das größte Problem aber liegt für viele Kommunen darin, für ausreichend Beleuchtung zu sorgen. Dortmund stellte bei einer Überprüfung fest: Fast die Hälfte der Überwege entspricht nicht den Beleuchtungsvorschriften. Und in Hamm fuhr ein Autofahrer eine Straßenlaterne um – woraufhin der Zebrastreifen dort überstrichen werden musste. Fast ein halbes Jahr lang blieb das so, denn der Hersteller des Lichtmastes konnte lange nicht liefern. Erst Mitte September gab es wieder Licht – und wieder einen Zebrastreifen.
Doch die neue Beleuchtungs-, Beschriftungs- und Beschilderungsvorschrift muss nicht das Ende der Zebrastreifen bedeuten. Das macht ausgerechnet das notorisch klamme Berlin deutlich. Dort werden jedes Jahr 30 bis 40 neue Fußgängerüberwege eingerichtet, wie es aus dem Rathaus heißt. In Kürze werde die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt den 400. neuen Zebrastreifen in Betrieb nehmen.
Lage und Ausstattung von Zebrastreifen sind in einer Verwaltungsvorschrift geregelt.