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Abschied vom Ich

Vendela Vida: »Des Tauchers leere Kleider«

- Von Lilian-Astrid Geese Vendela Vida: Des Tauchers leere Kleider. Roman. Aus dem Amerikanis­chen von Monika Baark. Aufbau Verlag. 252 S., geb., 19,95 €.

Vendela Vida ist eine großartige Erzählerin, die nicht nur pfiffige Ideen für einen spannenden Plot hat, sondern weiß, wie man einen Reiseberic­ht ganz anderer Art schreibt. Und so geht ihr Roman »Des Tauchers leere Kleider« – im englischen Original »The Diver’s Clothes Lie Empty« – übersetzt ins Deutsche von Monika Baark: Eine junge Amerikaner­in reist nach Marokko, um dort Urlaub zu machen, oder vielleicht auch, um sich zu finden. Erst im Flugzeug studiert sie ihren Reiseführe­r, dem sie entnimmt, dass ihr erster Stopp, Casablanca, alles andere als einen längeren Aufenthalt rechtferti­gt. Casablanca, so heißt es, solle man am besten gleich wieder verlassen.

Bevor sie sich richtig darüber ärgern kann, dass sie ihr Hotel für drei Tage gebucht – und gleich bezahlt – hat, werden ihr das Geld, sämtliche Papiere und die Kreditkart­en gestohlen. Gezwungen, sich auf die prekäre Lage einzustell­en, lässt sie sich auf alle Ereignisse ein, die ihr begegnen: eine neue Identität, ein Deal mit einem korrupten marokkanis­chen Polizeiche­f, ein Job bei einer Filmproduk­tion, nächtliche Drinks mit einem Hollywoods­tar, ein aufgenötig­tes Date mit einem russischen Geschäftsm­ann, eine spontane touristisc­he Tour nach Meknes ...

Je weiter sie sich von der Frau aus Florida entfernt, als die sie in den Ma- ghreb flog, desto mehr enthüllt sich ihre wahre Geschichte. Eine tragische und mitreißend­e Geschichte, die Grund genug ist, alle Brücken einzureiße­n, um neue zu bauen. Auch Brücken zurück in die alte Heimat.

Warum das so ist, und welche Rolle Namen in dem Roman über die leeren Kleider spielen, kann hier nicht verraten werden. Lesen Sie selbst. Es lohnt sich! Wenngleich die Tatsache, dass die Autorin sich weder für eine Ich-Erzählerin noch für die dritte Person, sondern für ein durchgängi­ges »Du« entschiede­n hat, zwischenze­itlich ein wenig bemüht rüberkommt.

Vendela Vida wurde 1971 geboren und lebt mit ihrer Familie in San Francisco. Sie ist mit dem amerikanis­chen Autor Dave Eggers (»Ein Hologramm für den König«, »Der Circle«) verheirate­t und veröffentl­ichte bisher fünf Romane. Der Titel ihres jüngsten Buches verweist auf ein Gedicht des persischen Dichters Rumi: »Du bist in deinem Körper fest wie eine Pflanze im Boden, und doch bist du der Wind. Du bist des Tauchers leere Kleider am Strand. Du bist der Fisch.«

Auch das ein dezenter Verweis darauf, dass das Leben einen manchmal zwingt, alte Häute abzustreif­en und sich in neuen einzuricht­en.

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