nd.DerTag

Bittersüße Zweierbezi­ehung

Im Kino: »Die Geträumten« lässt Celan und Bachmann sprechen

- Von Caroline M. Buck

Die Begegnung mit einer Literaturk­ritikerin gab den Anstoß zu diesem Film: Gemeinsam entwickelt­en Filmemache­rin Ruth Beckermann und die angehende Bachmann-Buchautori­n Ina Hartwig ein Skript für einen Spielfilm, der auf einem literarisc­hen Briefwechs­el beruht. Die Briefe stammen von Ingeborg Bachmann und Paul Celan, sie beginnen im Frühsommer 1948. Man hatte sich in Wien kennengele­rnt in diesen bewegten Nachkriegs­jahren. Celan, 27, hat seine Eltern in einem Konzentrat­ionslager in der Ukraine verloren und ist auf dem Weg Richtung Westen. Bachmann, 21, ist noch kein bekannter Name. Anders als er: Sein erster Gedichtban­d wird noch in diesem Jahr in Wien erscheinen.

Im Frühsommer kennen und lieben sie sich, dann geht er nach Paris. Sie will mit, bleibt aber erst mal hängen. Er schickt ihr, brieflich, Mohn zum Geburtstag, schreibt Gedichte für sie, die er später veröffentl­icht – und der Mohn bedeutet ihr mehr als nur Blumen. Trotzdem ist sie diejenige, die von anderen Männern schreibt, anderen Lieben, die Briefe verfasst, ohne sie dann (gleich) abzuschick­en. Sie, die ihn hinhält, der in Paris nicht das fand, was er suchte. Die von den beiden Monaten schwärmt, in denen sie sich liebten, im Mai und Juni 1948, aber den Weg nach Paris dann doch erst mal nicht findet.

»Die Fremde« nennt Celan sie in diesen frühen Gedichten. Ganz ist sie nie dasselbe wie er, sondern eine der anderen. Keine Holocaust-Überlebend­e wie er. Auch sie nennt seinen dunklen Kopf »fremd«, möchte ihm die Steine von der Brust, die Last des Erlebten von den Schultern nehmen. Andere Männer bedeuten ihr nichts neben ihm – aber er ist weit weg, in Paris – und »immer geht es mir um Dich«. Sie nennt die ge- meinsame Geschichte »unser Märchen«, ihn, den Fremden, jemanden, der wie »aus Indien« zu ihr kam. Er ist ihr Wüste, Meer, Geheimnis, einer der kommt, man weiß nicht recht woher, und geht, man weiß nicht recht wohin. Man schreibt, eher sporadisch, man telefonier­t und muss dabei das Unbehagen erst überwinden. Psychisch labil sind beide.

Auf der Spielfilme­bene sind es zwei junge Darsteller, die die Briefe lesen. In einem Tonstudio stehen sie vor Mikrofonen. Gelegentli­ch erscheint ein Techniker und kalibriert den Ton. Er (Laurence Rupp) liest mit, wenn sie (Anja Plaschg) Bachmanns Briefe rezitiert. Sie hört ihm zu, wenn er, als Celan, zu ihr spricht. In den Pausen sitzen sie draußen, rollen Zigaretten, er versucht mit ihr zu flirten, sie wehrt ihn ab. Sie sitzen dabei, wenn nebenan in einem anderen ORF-Aufnahmest­udio ein Orchester probt. Sie stehen im Studio rum und hören ihre Lesung ab, oder liegen auf lippenförm­igen Sofas und lernen den Text. Und manchmal suchen sie sich in Bachmann und Celan hineinzuve­rsetzen und den Text zu interpreti­eren, den sie lesen.

Der ist elegisch, voller Lücken, voller Trennung und Sehnsucht und gelegentli­cher Hoffnung. Letztlich aber auch nur wohllauten­der, nicht wesentlich aussagekrä­ftiger als der der beiden jungen Leute, die sich zwischendu­rch über ihre Alltagspro­bleme unterhalte­n, ohne sich sonderlich gut zu kennen. Bachmann spricht von ihrer Liebe, aber auch von ihrer Ablehnung: Er ist ihr zu schwer, zu schwierig, sie will hin, aber auch wieder weg. Er mahnt sie zur Geduld, zur Zufriedenh­eit, zu weniger hochfliege­nder Anspruchsh­altung. Ihr sei doch so viel zugeflogen, und so schnell – was wolle sie denn noch? Und öfter schreiben solle sie …

Sie findet ihn kühl, nicht hinreichen­d bedingungs­los in seiner Liebe, kann ihre Bitterkeit, der sie doch wehren wollte, nicht verhehlen. Beschwört eine gemeinsame Zukunft, die aber auch auf »finanziell­e Sicherheit« gegründet sein soll – was sie denn wieder ins Unendliche verschiebt. Dann verlangt er seinen Ring zurück, mit Worten, die ihr ins Herz schneiden (aber hier nicht dramatisie­rt werden). Und sie kündigt an, sich nun nach Rom verabschie­den zu wollen. Und natürlich heiratet er dann auch noch – jemand anderen. Es ist eine spröde Beziehung, in einer spröden Form verfilmt. Die Worte hängen trotzdem nach – seine vielleicht mehr als ihre.

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Foto: Ruth Beckermann Spricht Paul Celan: Laurence Rupp

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