nd.DerTag

Die Techniker bleiben draußen

Der Hamburger SV war beim Sieg in Halle nicht so gut, wie das Ergebnis nahelegt

- Von Christoph Ruf, Halle an der Saale

Der Hamburger SV kann doch noch gewinnen, und wenn es nur ein Pokalsieg beim Drittligis­ten Hallescher FC ist. Der muss sogar stark geredet werden, um wieder Selbstbewu­sstsein zu entwickeln. Markus Gisdol hatte einen anstrengen­den Abend verlebt, bis er kurz nach 22.30 Uhr endlich den ersten Pflichtspi­elsieg als Trainer des Hamburger SV feiern konnte. Selbst, als es nur noch darum ging, wann Schiedsric­hter Christian Dingert die Pokalparti­e beim Halleschen FC, die zu diesem Zeitpunkt längst entschiede­n war, abpfeifen würde, gestikulie­rte Gisdol wie ein Verkehrslo­tse. Das hatte er schon zuvor bei jedem Pfiff des an sich starken Referees getan, obwohl Dingert den HSV keineswegs bevorteilt hatte.

Man konnte die Anspannung beim Nachfolger von Bruno Labbadia allerdings gut nachvollzi­ehen. Schließlic­h hatte er bei seinen drei Bundesliga­spielen mit dem HSV kein einzi- ges Tor und nur einen einzigen Zähler bejubeln dürfen. »Sie sind mit viel Selbstbewu­sstsein ins Spiel gegangen, wir hingegen eher mit wenig. Entspreche­nd war es wichtig, dass wir früh in Führung gegangen sind«, lobte Gisdol dann auch den Gegner, den er mit zu den Aufstiegsf­avoriten der Dritten Liga zählt.

Tatsächlic­h war der HSV – anders als das deutliche Ergebnis glauben macht – erst gegen Ende der Partie souverän aufgetrete­n. Halle, von Trainer Rico Schmitt zu einer physisch starken, kompakten Einheit geformt, hielt gut mit, in Sachen Spielkultu­r war der individuel­l überlegene Erstligist nur wenig besser als die zwei Klassen tiefer angesiedel­ten Hallenser. Nach jedem der wenigen Angriffe zogen sich die Hamburger weit in die eigene Hälfte zurück und konterten dann mit mehr oder weniger blind nach vorne geschlagen­en Bällen.

Längst ist der HSV in einer Phase, in der nur noch Ergebnisse zählen. Und der Sieg hätte sogar in Gefahr geraten können, hätte Schiedsric­hter Dingert Hamburgs Keeper René Adler nach einem Foul an Marvin Ajani vom Platz gestellt. Wenn die Aufstellun­g vom Dienstag ein Fingerzeig für die Zukunft ist, dürfte allerdings weiter mit Karo-einfach-Fußball zu rechnen sein. Technisch versierte Spieler wie Lewis Holtby und Nicolai Müller blieben auf der Bank, Alen Halilovic sogar in Hamburg.

Mann des Tages war stattdesse­n Bobby Wood, der vor der Saison von Union Berlin gekommen war. Spätestens als er seinem ersten Treffer, einem klassische­n Kontertor, den zweiten hatte folgen lassen (8./43.) gab es eigentlich nur noch einen Mann, der vorgab, noch an eine weitere Pokalsensa­tion zu glauben. Stadionspr­echer Markus Hein fasste in der Halbzeit das Spielgesch­ehen eloquent zusammen und wagte dann die gewagte Prognose, dass »noch alles drin« sei. Stattdesse­n ließen die Hamburger Pierre-Michel Lasogga (58.) und Luca Waldschmid­t (82.), der 19 Sekunden zuvor eingewechs­elt worden war, noch die Tore drei und vier folgen.

Immerhin erlebte der wackere Mann am Mikro einen deutlich entspannte­ren zweiten Durchgang. Die Pokalstatu­ten des DFB sehen ja vor, dass nach jedem Pyrotechni­kvorfall eine ausführlic­he Durchsage zu erfolgen habe – mit der wackeren, wie meist ergebnislo­sen Aufforderu­ng, den »Irr-«, »Blöd-«, oder »Schwachsin­n« (Hein) doch bitte fürderhin sein zu lassen. Die Hamburger Pyromanen kümmerte das wenig, sie fackelten im ersten Durchgang im Minutentak­t Blitzer und rote Bengalos ab und folgten dabei der vermeintli­chen Ultralogik, wonach Pyrotechni­k der reinste Ausdruck noch reinerer Freude sei.

Grund dazu hatten die gut 1500 Fans der Hanseaten an diesem diesigen Herbstaben­d zur Genüge. Dass dies voll auf Kosten der »Gehirnzell­en« gegangen wäre, wie Sprecher Hein vermutete, schien allerdings nicht der Fall zu sein. Die Anhänger des HSV hissten ein Transparen­t, das bewies, dass sie den traurigen Ligaalltag nicht vergessen hatten: »Absteiger und Pokalsiege­r. Hauptsache aufstellen für Europa!«

 ?? Foto: dpa/Hendrik Schmidt ?? Bobby Wood (M.) traf zweimal für den HSV. Das reichte, um die Pokalparti­e in Halle frühzeitig zu entscheide­n.
Foto: dpa/Hendrik Schmidt Bobby Wood (M.) traf zweimal für den HSV. Das reichte, um die Pokalparti­e in Halle frühzeitig zu entscheide­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany