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»Das Umweltbewu­sstsein fehlt in Marokko«

Klimaaktiv­ist Mamoun Ghallab kämpft für weniger Müll und organisier­t Festivals, um seine Landsleute für Ökologie zu begeistern

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Die Welt schaut gerade auf Marokko: Der UN-Kimagipfel findet hier statt – und überall tauchen Berichte auf über die Energiewen­de im Königreich. Das größte Solarkraft­werk der Welt steht hier, Moscheen werden mit Solarpanee­len ausgestatt­et. Ist Marokko wirklich ein Ökovorreit­er? Tatsächlic­h passiert im Energiesek­tor einiges! Marokko baut viele Solaranlag­en und Windräder, auch Wasserkraf­twerke. Bisher geht es aber nur um große Infrastruk­turprojekt­e. Die Erkenntnis, dass es auch kleine, dezentrale Strukturen braucht, um etwa kleine, abgelegene Dörfer und Bauernhöfe mit erneuerbar­em Strom zu versorgen, fehlt noch. Und abseits vom Energiesek­tor hat Marokko viele andere Probleme mit der Umwelt.

Welche denn? Mein Leib- und Magenthema: Wir ge- hen katastroph­al mit unserem Abfall um. Ein Fünftel des Mülls wird nicht einmal gesammelt, sondern einfach in die Umwelt gekippt. Der Rest wandert vor allem in Deponien. Von denen sind nur zehn Prozent modern bewirtscha­ftet, der Großteil wird nicht überwacht. Dadurch entweicht eine Menge Schadstoff­e in den Boden. Wie fühlt es sich an als außerparla­mentarisch­e Opposition im Königreich Marokko – der König nimmt im Vergleich zu konstituti­onellen Monarchien wie Großbritan­nien ja eine recht dominante Stellung ein? Unsere Monarchie stabilisie­rt unser Land, deshalb geht es uns besser als vielen anderen Ländern in Nordafrika. Ich fühle mich gar nicht als Op- ponent dazu. Die Konflikte gibt es eher zwischen Parteien, also zwischen verschiede­nen politische­n Interessen. Wir haben in Marokko sehr viele Parteien, insgesamt 30, im Parlament sind immer ungefähr ein Dutzend.

Wie viele davon kümmern sich um Umweltthem­en? Gar keine. Es gibt einfach kein richtiges Bewusstsei­n dafür, dass Klima und Umwelt wichtig sind.

Und in der Bevölkerun­g? Mehrheitli­ch auch nicht. Wir haben auch noch keine große Klima- oder Umweltbewe­gung. Daran wollen wir ja arbeiten.

Mit »wir« meinen Sie Ihre Initiative Zero Zbel (deutsch: »Kein Müll«). Es geht uns zu allererst darum, die Probleme überhaupt zu erklären. Zum Beispiel haben wir Videos gedreht, in denen grundlegen­de Fragen auf Arabisch verständli­ch beantworte­t werden, zum Beispiel: Was ist der Klimawande­l? Videos sind total wichtig, weil 40 Prozent der Menschen nicht lesen können. Außerdem wollen wir einen nachhaltig­en Lebensstil vorleben.

Wie machen Sie das? Vor drei Jahren habe ich einen Blog gestartet: Innerhalb von einem halben Jahr wollte ich keinen Müll mehr verursache­n. Ich habe es fast geschafft – von zwölf Kilo im Monat runter auf ein halbes Kilo. Das halte ich bis heute. Zero Zbel habe ich dann mit zwei Freunden in diesem Jahr gegründet. Wir zeigen auch kleinen Umweltgrup­pen in Marokko, wie sie Menschen weiterbild­en können. Zudem organisier­en wir selbst Veranstalt­ungen. Während der ersten Wo- che der Weltklimak­onferenz haben wir zum Beispiel ein Umweltfest­ival in Marrakesch­s Innenstadt veranstalt­et, mit thematisch passenden Kunstaktio­nen und Spielen.

Und wie kommt Ihre Arbeit bei den Menschen an? Sehr unterschie­dlich. Online erreichen wir eine sehr junge, urbane Gruppe – die lassen sich super sensibilis­ieren oder sind vielleicht sogar schon umweltbewu­sst. Auf der Straße, zum Beispiel bei unserem Festival, haben die Leute dagegen noch nie von Umwelt- oder Klimaschut­z gehört. Aber es zeigt sich, dass unsere Strategie aufgeht: Viele haben uns gefragt, ob wir so ein Festival noch einmal machen. Sie fanden es gut, dass wir in ihre Nachbarsch­aft gekommen sind und dort etwas geschaffen haben, dass wir Kunst und Unterhaltu­ng mit ihnen geteilt haben.

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