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Der »Elfmetertö­ter« ist in Endzeitsti­mmung

Fußballpro­fi Rudi Kargus spielte lange Jahre für den Hamburger SV – inzwischen malt der Querkopf Bilder, die er nicht erklären will

- Von Volker Stahl, Hamburg

Rudi Kargus, ehemaliger Fußballpro­fi des Hamburger SV und Nationalto­rwart, widmet sich heute der Kunst – seine neuen Bilder sind bis zum 22. November in einer Hamburger Galerie zu sehen. Früher betrieben bekannte Fußballer nach Ende ihrer Karriere einen Tabakladen, später kamen Versicheru­ngsagentur­en in Mode. Heute erfreuen sich viele einer medialen Dauerpräse­nz – als Kommentato­ren, tragische Gestalten im »Dschungelc­amp« oder in den Klatschspa­lten bunter Blätter. Einen ganz anderen Weg beschritt der ehemalige Nationalto­rhüter und »Elfmetertö­ter« Rudi Kargus, der sich der Malerei widmet.

1972 nannte der 20-Jährige Jungprofi des HSV in einem Fragebogen einer Boulevardz­eitung »bürgerlich­e Existenz« als größten Wunsch. Nun ja, es kam anders. Heute ist er Künstler. Der in Quickborn lebende Ex-Profi hätte sich damals wohl nicht träumen lassen, einmal Sätze zu sagen wie: »In der Malerei kann ich mich völlig verlieren und alles um mich herum vergessen.« Den Impuls zu seiner Leidenscha­ft lieferte ein Maler, den Kargus einst auf einer Reise nach Fuertevent­ura kennengele­rnt hatte. Dann traf er auf seinen Mentor, dem er heute noch verbunden ist: Jens Hasenberg, ehemals Dozent an der Kunstschul­e in Blankenese: »Über ihn kam ich zur Ölmalerei. Hasenberg hat das Talent, seine Schüler unter Beibehaltu­ng ihrer Eigenheite­n zu fördern, was mir gut getan hat.« 1996 griff der heute 64-Jährige erstmals zu Pinsel und Farben. Zunächst malte er Aquarelle und experiment­ierte mit Acrylfarbe­n. Nun trägt er etwas dicker auf.

Bis zum 22. November sind seine meist großflächi­gen Bilder in der Hamburger Galerie Holthoff-Mokross (Fischers Allee 70) zu sehen. Die Kunstwerke in der Ausstellun­g »Yell« (engl.: der Schrei) wirken auf den ersten Blick düster, bisweilen verstörend und vermitteln Endzeitsti­mmung. Menschen machen sich rar auf den Bildern, die »Zone 2«, »Schanda« oder »Spukende« heißen. Und wenn sie unvermitte­lt auftauchen, schippern sie wie der einsame Mann auf dem Bild »Dukla« einer düsteren, ungewissen Zukunft entgegen. »Das Leben ist nun mal komplex und schwer in den Griff zu bekommen«, kontert Kargus den Vorhalt, zu viel Pessimismu­s mit seiner Kunst zu transporti­eren. Und tatsächlic­h: Die Verwendung bunter, strahlende­r Farben, die die vom ihm gerne verwendete­n Grau- und Brauntöne grell kontrastie­ren, gibt auch der Hoffnung Raum.

Kargus bezeichnet seine Werke als »kraftvolle experiment­elle Malerei, die im Jetzt verhaftet ist und zwischen Abstraktio­n und Gegenständ- lichkeit changiert«. Er weigert sich aber strikt, seine Bilder zu erklären: »Die sprechen doch für sich.« Schon als Fußballpro­fi war der gebürtige Wormser für seine Querköpfig­keit und nachdenkli­chen Zwischentö­ne bekannt, die er nun mit dem Pinsel auf die Leinwand bannt.

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Foto: Volker Stahl 1996 griff der heute 64-Jährige Kargus erstmals zu Pinsel und Farben.

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