Wohnen in der Volksschwimmhalle
In Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt soll das Gebäude eines DDR-Hallenbades gerettet werden – indem darin Appartments entstehen
Kubus mit Wellendach und Wasserbecken: ein DDR-Sportbad soll Wohnhaus werden. Erst kurz vorm geplanten Abriss kam die Volksschwimmhalle, eine der letzten aus der DDR, auf die Denkmalliste. Im flotten Freistil zieht heute niemand mehr seine Bahnen in der früheren DDR-Volksschwimmhalle im Schweriner Stadtteil Lankow. Noch bis Ende Januar 2015 durchschnitten hier Pfiffe und Kommandos der Schwimmmeister die Luft mit dem typischen Chlorwassergeruch. Inzwischen sind die Becken staubtrocken, die Startblöcke verwaist, die Fliesenwände voll Graffiti, überall liegt Schutt. Gegen den Willen vieler Bürger hatte voriges Jahr der Abriss des Hallenbades bereits begonnen. Dann aber erhob die Denkmalpflege Einspruch und stellte das Gebäude unter Schutz, ein Investor kaufte das Ensemble.
Retter einer der letzten ostdeutschen Schwimmhallen aus den 1970er Jahren ist der Schweriner Architekt Ulrich Bunnemann, Geschäftsführer der Schelfbauhütte. Gut 40 Häuser in Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt, darunter denkmalgeschützte Bauten und die In- dustriebrache der alten Brauerei, erweckte das Unternehmen als Wohnstätten zu neuem Leben.
Für das marode Hallenbad flossen 80 000 Euro – die veranschlagten Abrisskosten – an die Stadt. 2,5 Millionen Euro sollen nun in den Einbau von acht barrierearmen und acht Maisonette-Wohnungen investiert werden. Das 25-Meter-Schwimmbecken bleibe abgedeckt erhalten, ein Viertel davon solle Therapiebecken werden, sagt Bunnemann. Der architektonische Wert des schlichten kastenförmigen Zweckbaus findet sich weit oben versteckt in dem wellenförmigen Dach: Es besteht aus hyperparaboloiden Schalen, »HP-Schalen«. Erfinder war der Architekt Herbert Müller (19181987), seine Konstruktionen lösten die individuell-monolithisch gefertigten Betonschalen von Ulrich Müther (1934-2007) ab, wie Jörg Kirchner vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in einem Gutachten schrieb. Die Lankower Schwimmhalle vom Typ »Bitterfeld« sei nach dem Abbruch gleichartiger Bauwerke in Deutschland nur noch selten und ein einziges Mal in Mecklenburg-Vorpommern erhalten, erklärt Kirchner. »Das Bauwerk dokumentiert die serielle Planung und Umsetzung von gesellschaftlichen Bauvorhaben in der Ära Honecker. Auf der Grundlage von Wiederverwendungsprojekten in Bezirks- und Kreisstädten sollte das Niveau der Versorgung mit Sportanlagen beträchtlich erweitert werden.« Über das innovative Hallendach streiten jetzt Wohnhausplaner und Denkmalschützer. Künftig solle eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach das Mietshaus mit sauberem Strom versorgen, sagt Bunnemann. »Gerade ein Denkmal muss energetisch auf aktuellen Stand gebracht werden, damit es eine lange Lebensdauer hat.« Schwerins Denkmalpflegerin Steffie Rogin findet, eine solche Anlage schade dem Erscheinungsbild, es werde aber ein Kompromiss gesucht. »Das ist ein Industriebau, kein Altstadthaus«, argumentiert der Architekt. Außerdem komme die Beton-Decke durch das Abnehmen der Verkleidung im Inneren jetzt überhaupt erst zur Geltung.
Für den Umbau der 40 Jahre alten Schwimmhalle haben sich die Besitzer einen sportlichen Zeitplan gesetzt. In gut einem Jahr schon sollen die Mieter einziehen. Bereits jetzt gebe es eine Warteliste für die 60 bis 100 Quadratmeter großen Wohnungen mit einer Kaltmiete von neun Euro je Quadratmeter, sagt Bunnemann. Bei Hallenbad-Flair mit Fliesen und Startblöcken im Foyer brauchten die Bewohner auf Komfort aber nicht zu verzichten: Panoramafenster, Vorgärten, Pool im Haus und Zugang zum Lankower See sollen das Medium Wasser weiterhin erlebbar machen.