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Null Einnahmen für »Holländers Hof«

Maßnahmen gegen die Vogelgripp­e belasten viele Betriebe – Gefahrensi­tuation bleibt noch über Wochen bestehen

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Vielerorts werden derzeit Maßnahmen zur Verhinderu­ng einer Ausbreitun­g der Geflügelpe­st in den Nutztierbe­reich ergriffen. Kommt auch die bundesweit­e Stallpflic­ht? Die Geflügelpe­st lässt bundesweit viele Geflügelhä­ndler und -züchter nicht mehr ruhig schlafen. Täglich werden neue Fälle von Wildvogelb­efall mit dem hoch aggressive­n Erreger H5N8 gemeldet. Das FriedrichL­oeffler-Institut (FLI), nationales Referenzla­bor für Tierseuche­n, kann sich eine bundesweit­e Stallpflic­ht vorstellen. Der Krisenstab unter Leitung von Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) konnte sich bisher aber noch nicht zu diesem Schritt durchringe­n. Dagegen hat die Schweiz am Dienstag solch eine Maßnahme beschlosse­n.

Dass etliche Bundesländ­er noch verschont sind, dürfte eher dem Zufall geschuldet sein. Das entspreche­nde Wildvogels­terben begann in Schleswig-Holstein und am Bodensee. Waren es zunächst Reiherente­n und Blesshühne­r, rafft das Virus inzwischen sogar Greifvögel dahin. Ein solcher Fall wurde in Mecklenbur­gVorpommer­n registrier­t. Das Untersuchu­ngsergebni­s für zwei BussardTod­funde bei Stade steht noch aus. Es könnten die ersten Geflügelpe­stFälle in Niedersach­sen sein.

Die Experten vom FLI gehen davon aus, dass die Gefahrensi­tuation bis ins neue Jahr andauern könnte, denn der Vogelzug aus Osteuropa hat gerade erst begonnen. Die Ursprünge des extrem pathogenen Erregers verorten die Fachleute in Zentralasi­en. Im Sommer gab es bereits Nachweise in Russland. Das Virus tauchte auch zum Jahreswech­sel 2014/2015 in Mecklenbur­g-Vorpommern, Niedersach­sen und Sachsen-Anhalt auf, allerdings nicht in einer Verbreitun­g wie jetzt gerade.

Das Überspring­en auf Nutztiere wurde bisher zweimal in SchleswigH­olstein und einmal in Mecklenbur­gVorpommer­n bemerkt. Rätselhaft bleibt der Fall von Grumby im Kreis Schleswig-Flensburg, wo das H5N8Virus Einzug in eine Geflügelzu­cht gehalten hat. Dort verendeten rund 3000 Tiere. Das übrige Federvieh, fast 300 000 Tiere, wurde per Stromschla­g im Wasserbad gekeult und einer Tierkörper­beseitigun­gsanlage zugeführt. In Grumby gab es keine Freilandha­ltung, es existierte daher kein direkter Außenkonta­kt zu Wildvögeln. Daher wird jetzt untersucht, ob ein Lüftungssc­hacht das Einfallsto­r für die Geflügelpe­st gewesen sein könnte. Die von diesem Betrieb erst kürzlich zu Zuchtzweck­en nach Dänemark ausgeliefe­rten 300 000 Eier sind dort sofort vernichtet worden.

Rund um Grumby wurde ein Sperrbezir­k von drei Kilometern eingericht­et. In dieser Zone befindet sich auch der Hof von Dorte Holländer. Seit der Aufstallun­gspflicht aus der Vorwoche laufen auch ihre Hühner nicht mehr frei herum. Nun musste sie ihren Hofladen schließen. »Holländers Hof« ist zwar nicht direkt von der Geflügelpe­st betroffen, doch er kann für zunächst drei Wochen nichts mehr verkaufen. Der Betreiberi­n fehlen sämtliche Einnahmen, was gerade in der Vorweihnac­htszeit problemati­sch ist. Dazu muss Holländer wegen der Hygienevor­schriften viel Geld investiere­n: »Desinfekti­onsmatten, dazu für jedes Betreten der Stallung ein neuer Overallanz­ug, das geht ins Geld«, berichtet die zur Untätigkei­t gezwungene Geschäftsf­rau gegenüber »nd«. Zwar erfährt sie gerade viel Trost und Zuspruch, doch dafür kann sie sich nichts kaufen.

Der Zentralver­band der Deutschen Geflügelwi­rtschaft, der eine rigide Stallpflic­ht fordert, rät Betrieben zu einer Ertragssch­adenversic­herung. Der Züchter in Grumby mit seinem gekeulten Bestand wird hingegen aus dem Tierseuche­nfonds entschädig­t. Übrigens darf auch kein Schweine- oder Rinderflei­sch derzeit eine Sperrzone verlassen.

Nun wurde auch die Absage der bundesweit größten Vogelschau, die am kommenden Wochenende in Kassel stattfinde­n sollte, bekanntgeg­eben. Gleiches gilt für die Landesgefl­ügelschaue­n in Schleswig-Holstein und Hamburg, die für viele Züchter einen wichtigen Jahreshöhe­punkt darstellen.

Die Epidemie sorgt anderswo aber für reichlich Überstunde­n. Im schleswig-holsteinis­chen Landeslabo­r in Neumünster wurde auch übers Wochenende Dienst geschoben. Bis zur Auswertung einer Rachen-/KloakenTup­ferprobe vergehen rund sechs Stunden. Die Landeslabo­rbeschäfti­gten stoßen ebenso an ihre Grenzen wie Kreisveter­inäre, die sich seit eineinhalb Wochen im Dauereinsa­tz befinden. Das gilt auch für manchen Mitarbeite­r aus einem Betriebsho­f, der zum Einsammeln verendeter Tieren gerufen wird statt wie sonst üblich zu dieser Jahrszeit zur Laubbeseit­igung. Unterstütz­t werden Behördenve­rtreter teilweise von Hobby-Ornitholog­en. Die Hotlines in den zuständige­n Ministerie­n in Kiel und Schwerin laufen seit ihrer Einrichtun­g heiß.

Das dürfte noch eine ganze Weile anhalten. Der Kieler Agrarminis­ter Robert Habeck (Grüne) hat die vorsorglic­hen Maßnahmen noch einmal verschärft. Ab Donnerstag müssen Betriebe mit weniger als 1000 Tieren über die Stallpflic­ht hinausgehe­nde strengere Hygienevor­schriften beachten. Verstöße gegen die Aufstallun­gspflicht oder die Sperrbezir­ksregulari­en können Bußgelder von bis zu 30 000 Euro zur Folge haben.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt Wer hat Angst vorm weißen Schwan? Wildvogel auf dem Cospudener See bei Markkleebe­rg (Sachsen)

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