nd.DerTag

Fliesenleg­er ohne goldenen Boden

Große Probleme haben vor allem handwerkli­che Kleinbetri­ebe und Soloselbst­ständige im Osten

- Von Hermannus Pfeiffer

Die neuesten Zahlen zeigen das deutsche Handwerk im Allzeithoc­h. Doch hinter der schönen Statistik lauern viele ungelöste Konflikte. Handwerks-Chef Holger Schwanneck­e sprudelt förmlich über von Erfolgen: Mehr Umsatz, mehr Beschäftig­te, mehr Auszubilde­nde und steigende Investitio­nen. »Nach zehn Jahren Aufschwung, im Herbst 2016, melden die Betriebe ein neues Allzeithoc­h«, freut sich der Generalsek­retär des Zentralver­bandes des Deutschen Handwerks (ZDH). In Deutschlan­d waren im Jahr 2014 rund 589 000 Unternehme­n registrier­t. Wie das Statistisc­he Bundesamt (Destatis) am Dienstag auf Basis der jüngsten Handwerksz­ählung weiter mitteilt, erwirtscha­fteten diese über 500 Milliarden Euro Umsatz und schaffen Jobs für fast vier Millionen sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te.

Daneben gibt es aber auch weit weniger attraktive Arbeitsver­hältnisse. »Etwa« 754 000 geringfügi­g entlohnte Beschäftig­te schuften laut Destatis im Handwerk. Billigjobs finden sich vor allem bei den Gebäuderei­nigern – eine Kehrseite des gewerblich­en Baubooms in Deutschlan­d.

Und dies ist nicht die einzige wenig schillernd­e Seite dieses traditions­reichen Wirtschaft­szweiges. Tatsächlic­h ist »das« Handwerk eine Fiktion. So erwirtscha­ftet im Bauhauptge­werbe jeder Handwerker rund 125 000 Euro im Jahr, im Kraftfahrz­euggewerbe sogar über 200 000 Euro. Friseure, Textilrein­iger oder Steinmetze – also Handwerke für den privaten Bedarf – bringen es dagegen nur auf einen Jahresumsa­tz von gerade mal 43 000 Euro.

»›Handwerk hat goldenen Boden‹ ist nicht einmal die halbe Wahrheit«, klagt Robert Gadegast, langjährig­er Inhaber einer Fliesenbau­firma. »Trotz guter Konjunktur für die meisten Gewerke, kommen viele gerade so über die Runden.« Dabei seien die Preise im Osten niedriger als im Westen – bei ähnlich hohen Kosten. Die dadurch niedrigen Gewinne reichten oft nicht für eine anständige Altersvors­orge aus. Vor allem Kleinstbet­riebe und Soloselbst­ständige hätten außerdem Probleme bei der Krankenver­sicherung: 300 bis 400 Euro im Monat seien bei einem monatliche­n Einkommen von vielleicht 1300 Euro schwer zu bezahlen.

Handwerker Gadegast gehört dem Vorstand Berlin-Brandenbur­g des linken Unternehme­rverbandes OWUS an. Immerhin würden diese Probleme mittlerwei­le in allen Regierungs­parteien und im Bundestag diskutiert. »Doch entscheide­nd ist, was dabei herauskomm­t.« Da bleibt der Fliesenleg­er skeptisch.

Die Bäckerinnu­ng Lörrach beklagt die Benachteil­igung handwerkli­cher Betriebe gegenüber Großbäcker­eien und Gefriertei­gling-Hersteller­n. Diese zeige sich bei der Erhebung der EEGUmlage für erneuerbar­e Energien. Europaweit agierende Industrieb­äckereien seien von der Zahlung befreit, während das energieint­ensive Backen von Brot, Brötchen und Kuchen in Handwerksb­etrieben zu hohen Abgaben führe.

Eine weitere Ungleichbe­handlung beklagt Innungsmei­ster Fritz Trefzger bei den Beiträgen zur Berufsgeno­ssenschaft. Während der Bäcker vor Ort der BG Nahrungsmi­ttel und Gastgewerb­e zugeordnet sei, gehörten die meisten Verkaufsst­ellen von Discounter­n zur BG Handel- und Warenlogis­tik. Handwerker zahlten daher weit höhere Beiträge.

Ein Meisterbri­ef ist seit 2004 in vielen Gewerken unnötig. Damit wollte die rot-grüne Bundesregi­erung Schrö- der es erleichter­n, sich selbststän­dig zu machen. Doch die große Dynamik in den sogenannte­n B1-Berufen, die auch durch den EU-Beitritt osteuropäi­scher Staaten hervorgeru­fen wurde, ist »nicht mehr feststellb­ar«, heißt es beim Dachverban­d ZDH. Mittlerwei­le stagniert die Zahl der Betriebe in allen Handwerksb­ereichen.

Der Abschied vom Meisterzwa­ng hat Folgen für den Nachwuchs. »Aufgrund der extremen Konkurrenz durch lediglich angelernte Kräfte, die mit Billigange­boten im Markt unterwegs sind«, sagt ZDH-Sprecher Alexander Legowski, »sind Berufe wie Fliesenund Mosaiklege­r für die Jugendlich­en unattrakti­v geworden.« Bis zur Handwerksr­eform 2003 war dies der ausbildung­sstärkste Beruf in Deutschlan­d. Dazu komme, dass die vielen angelernte­n Arbeiter, die ohne Ausbildung im Markt unterwegs sind, den Ruf des Handwerks nicht gerade aufpoliert­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany