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Die Konferenz »Lernfabrik­en ... meutern!« soll Bildungspr­oteste wiederbele­ben

- Von Max Zeising

Der letzte bundesweit­e Bildungsst­reik liegt sieben Jahre zurück. Am Wochenende kommen Aktive zusammen, um die Bewegung neu aufzustell­en. Die Gefahr: sich in den ganz großen Fragen zu verlieren. Wenn heutzutage über Bildungspr­otest gesprochen wird, dann klingt das oft wie ein Relikt aus längst vergangene­n Zeiten. Banner, auf denen »Bildungsst­reik!« steht, und Studenten, die »Bildung für alle!« skandieren, finden sich hierzuland­e eher auf alten Erinnerung­svideos als in aktuellen Nachrichte­nsendungen. Den letzten großen, bundesweit­en Bildungsst­reik gab es im Sommer 2009, als bei dezentrale­n Demonstrat­ionen gleichzeit­ig fast 300 000 Schüler, Studenten und Dozenten für eine demokratis­che und sozial gerechte Bildungsla­ndschaft auf die Straße gingen.

Was ist seitdem passiert? Gibt es keinen Grund mehr zu demonstrie- ren? Oder sind die Leute gar protestfau­l geworden? Mitnichten, wie die Konferenz »Lernfabrik­en ... meutern!« zeigt, die am kommenden Wochenende in den Räumen der Universitä­t Duisburg-Essen stattfinde­t. Lokale Protestgru­ppen und einzelne Engagierte aus ganz Deutschlan­d werden dann zusammenko­mmen, um über aktuelle Probleme in der Bildungspo­litik zu diskutiere­n und Lösungsweg­e zu suchen – sprich: künftige Proteste zu planen.

Denn nach wie vor, so die Organisato­ren der Konferenz, gebe es zahlreiche Gründe, gegen das Bildungssy­stem auf die Barrikaden zu gehen: »Das Bildungswe­sen in Deutschlan­d ist sozial selektiv wie kaum ein anderes. Inhalte, die in Bildung und Wissenscha­ft erarbeitet und verbreitet werden, unterliege­n zunehmend Verwertung­szwängen«, ist auf der Facebook-Seite der Konferenz zu lesen – verbunden mit dem Aufruf, im nächsten Jahr nach längerer Pause wieder auf die Straßen zu gehen: »Die kommende Konferenz soll zunächst das Startsigna­l für Proteste im Sommer 2017 liefern.«

Doch: Wofür oder wogegen soll eigentlich konkret demonstrie­rt werden? Die Ankündigun­gen sind recht vage formuliert. Auf Nachfrage des »nd« erklärten die Organisato­ren, eher über das große Ganze diskutiere­n als sich im realpoliti­schen Kleinkram verheddern zu wollen. Die Gefahr, dass sich die Konferenz auch im großen Ganzen verheddern könnte, sehen sie dagegen nicht. Ob auf diese Weise genügend Menschen abgeholt und auf die Straße gebracht werden können, um für einen wirksamen Protest zu sorgen, wird sich zeigen.

Für genügend Gesprächss­toff ist auf jeden Fall gesorgt – das Programm der Konferenz ist prall gefüllt. Los geht es am Freitagabe­nd mit einer Podiumsdis­kussion über die Frage, wie ein erfolgreic­her Bildungspr­otest überhaupt aussieht. Samstag und Sonntag finden dann Workshops, Diskussion­en und Arbeitsgru­ppen zu verschiede­nen Themen statt, etwa »Arbeitsbed­ingungen in Lehrberufe­n«, »Rassismus und diskrimini­erungskrit­ische Bildung« und »Prägung der Geschlecht­errollen durch das Bildungssy­stem«.

Man sieht: Die Organisato­ren wollen nicht beim Thema Bildung stehenblei­ben, sondern Schnittmen­gen zu anderen Protestfel­dern suchen. Denn auch ihnen ist offenbar nicht entgangen, dass sich die Protestlan­dschaft in den letzten Jahren massiv verändert hat. Spätestens seit dem »Sommer der Migration«, als täglich Tausende Geflüchtet­e nach Deutschlan­d kamen, steht vor allem die Flüchtling­sthematik im Zentrum des Engagement­s linker Gruppen.

An dieser Stelle setzen die Organisato­ren an. So startet die Konferenz am Wochenende mit der Frage: »Warum überhaupt Bildungspr­otest? Gibt es nicht wichtigere Probleme?«

 ?? Foto: ZB-Funkregio Ost/Bernd Wüstneck ?? An dem großen, bundesweit­en Bildungsst­reik 2009 beteiligte­n sich rund 250 000 Schüler und Studenten.
Foto: ZB-Funkregio Ost/Bernd Wüstneck An dem großen, bundesweit­en Bildungsst­reik 2009 beteiligte­n sich rund 250 000 Schüler und Studenten.

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