nd.DerTag

Lexikon der Bewegungss­prache

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Das Wort »Programm«, altgriechi­sch für das Vor-Geschriebe­ne, steht allgemein für den Anspruch, dass etwas, einmal in Symbolen ausgedrück­t, auch genauso Realität werden könne – was in der elektronis­chen Datenverar­beitung meistens geschieht und in der Politik eher selten. In dieser Sphäre beschreibt das P-Wort stets zugleich das Wünschdirw­as, das Soistdas, das Denkdasnic­ht und auch das Machdichwi­chtig, das politische Akteure formt, das ihr Handeln strukturie­rt, ihm einen gesellscha­ftlichen Platz zuweist. Programm ist ein stets dehnbares System von Lehr- und Merksätzen, eine selbstgesc­haffene Autorität, die schwarz und gelb und rot und grün definiert, die Machtverhä­ltnisse in Normen ausdrückt, die eint und spaltet, Freunde und Feinde macht. Mal ausdrückli­ch, mal nur unterschwe­llig, in Kneipenges­prächen, Flugblätte­rn und Schauproze­ssen. Aufgrund speziell der letztgenan­nten Tradition ist das Programm im Laufe der 70er Jahre ganz zu Recht in Verruf geraten. Seither sprach und spricht mensch lieber vom »Selbstvers­tändnis«, an den Unis auch vom »Diskurs« einer Gruppierun­g. Doch gibt es jenseits der begrifflic­hen Geschmacks­frage kein Entrinnen: Handlungen und Haltungen des Veränderns und die Verständig­ung über sie ist ohne VorGeschri­ebenes in diesem Sinn nicht denkbar. Ganz gleichgült­ig, ob dabei Buchstaben zum Einsatz kommen oder beispielsw­eise nur ein Dresscode: Wer immer sich ins Politische begibt, darf nie vergessen, dass jedes Wort zur Macht auch Macht zum Wort ausdrückt, ein Machtwort bleibt. Auch diesbezügl­ich ist im Bewegungsl­eben viel Awareness geboten.

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