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Mitten in Köln

Eine Stadt nach dem gewaltsame­n Tod eines Obdachlose­n

- Von Sebastian Weiermann, Köln

In Köln ist ein obdachlose­r Mann getötet worden. In der Nacht zum Sonntag wurde er erst erschlagen und dann verbrannt. Obdachlose in der Stadt berichten von alltäglich­er Gewalt. Montagaben­d, es ist kalt und nass in Köln. Acht Grablichte­r und ein schlichter Strauß Blumen liegen in einem Winkel unter der Hohenzolle­rnbrücke. In der Nacht zum Sonntag ist hier der 29-jährige Basti umgebracht worden. Ein Unbekannte­r oder mehrere Täter hatten ihm schwere Verletzung­en im Gesicht zugefügt und ihn anschließe­nd angezündet. Bereitscha­ftspolizis­ten, die seit Silvester verstärkt in Köln eingesetzt werden, hatten den brennenden Mann entdeckt. Ein Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststelle­n.

Der 29-jährige, der erst seit kurzem in Köln war, er stammt aus Berlin, lag mitten in der guten Stube der Stadt. Von dem Bürgerstei­g aus, auf dem Basti umgebracht wurde, kann man den Musical Dom und den Rheingarte­n sehen. Es gibt zwei Wege, um vom Dom hierher zu kommen. Auf dem einen läuft man am Dom entlang, am Museum-Ludwig vorbei und über die Philharmon­ie in den Rheingarte­n. Im Sommer sind hier tausende Menschen unterwegs. Der andere Weg führt durch mehrere Unterführu­ngen unter der Hohenzolle­rnbrücke her. Die Bürgerstei­ge sind schmal, die Autos rasen und es stinkt nach Urin. Die Ecken und Winkel hier sind bei Obdachlose­n begehrt.

Am Montagaben­d macht sich ein Obdachlose­r, ein paar Meter vom Tatort entfernt, sein Nachtlager fertig. Er ist ein großer, kräftiger Mann. Er erzählt, dass er schon lange auf der Straße lebt. Von dem Mord hatte er noch nichts mitbekomme­n, er ist deutlich schockiert als er davon hört. In Köln habe er noch keine Gewalttäti­gkeit gegen Obdachlose erlebt. »Vor 15 Jahren im Osten« sei er einmal verprügelt worden. Gegen den Kopf sei ihm getreten worden. Er nimmt seine Mütze ab und zeigt eine kleine Narbe, die er von dem Angriff hat. Auf die Frage, wer den Mord begangen haben könnte, sagt er: »Bestimmt Nazis!« Die seien es auch gewesen, die ihn damals verprügelt hätten. Wenn so was passiere, müsse man zusammen mit anderen schlafen, sagt er. Eigentlich schläft er lieber alleine, er wolle seine Ruhe haben.

Gewalt gegen Obdachlose und Wohnungslo­se wird nicht amtlich erfasst. Die »Bundesarbe­itsgemeins­chaft Wohnungslo­senhilfe« (BAGW) führt allerdings eine Statistik über Gewalttate­n. Seit 1989 gab es 485 Tötungsdel­ikte gegen Obdachlose. In etwa der Hälfte der Fälle sind die Täter selbst obdachlos. 28 finden sich auch in verschiede­n Chroniken rechter Gewalt. Benjamin Giffhorn von der BAGW spricht von »sozialdarw­i-

Gewalt gegen Obdachlose wird nicht amtlich erfasst. Die »Bundesarbe­itsgemeins­chaft Wohnungslo­senhilfe« führt allerdings eine Statistik über Gewalttate­n. Seit 1989 gab es 485 Tötungsdel­ikte gegen Obdachlose.

nistischen Gründen«, aus denen Nicht-Obdachlose Menschen angriffen. Ein typisches Muster seien junge Männer, die ältere Obdachlose attackiere­n.

Gewalttate­n unter Obdachlose­n würde oft aus nichtigen Anlässen entstehen, erklärt Giffhorn. In Unterkünft­en gebe es immer wieder Auseinande­rsetzungen, die Ursache sieht Giffhorn in den beengten Verhältnis­sen in den Schlafstel­len. Ein be- sonderes Problem seien Übergriffe gegen obdachlose Frauen. Oft leiden sie stark unter sexualisie­rter Gewalt. Männer böten ihnen Schlafplät­ze an, in den Wohnungen kommt es dann zu den Taten, die Frauen sind aber vom warmen Schlafplat­z abhängig.

Am Eingang des Hauptbahnh­ofes sitzen am Montagaben­d zwei junge obdachlose Männer auf einer Isomatte. Sie sind in dicke Jacken eingemumme­lt, trinken Bier. Von dem Toten haben sie gehört. Einer von beiden ist sich unsicher, glaubt den Toten einmal gesehen zu haben. Gekannt hab er ihn nicht. Beide erzählen, schon oft mit Pöbeleien und Gewalt konfrontie­rt worden zu sein. Am Wochenende sei es besonders schlimm. Die Becher, die beide vor sich stehen haben, um Geld zu sammeln, würden oft weggetrete­n. Manchmal werde ihnen vor die Füße gespuckt oder eine Flasche Bier zerdeppert.

Ein anderes Problem sei, dass sie immer wieder verscheuch­t werden. Vor Restaurant­s, Hotels oder Einkaufsze­ntren bekomme man immer wieder Stress, erzählt einer. Kurz nach dem Gespräch werden beide von Sicherheit­smännern der Bahn angesproch­en. Sie sollen den Eingang verlassen. Ein paar Meter von ihnen entfernt stehen Touristen und fotografie­ren den Dom. Kölns Wahrzeiche­n.

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Foto: dpa/Oliver Berg Ein Grablicht erinnert in der Unterführu­ng an den Tod des Obdachlose­n.

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