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Obamas Abschied

Obamas letzte Europa-Reise hat vor allem ein Thema: die Angst vor seinem Nachfolger

- Von Olaf Standke

Barack Obama bei Angela Merkel: Über seiner letzten Auslandsre­ise als US-Präsident liegt der Schatten des Nachfolger­s Donald Trump.

Der neue Mann im Weißen Haus habe »großes Interesse, den Kern der strategisc­hen Beziehunge­n zu erhalten«, versucht US-Präsident Obama die NATO-Partner zu beruhigen. Doch Zweifel bleiben. Es ist die letzte Auslandrei­se von Barak Obama als US-Präsident. Die erhoffte grandiose Abschiedst­our nach acht Amtsjahren wird sie nicht. Dafür sorgt sein Nachfolger im Weißen Haus. Und so kommt dem scheidende­n Präsidente­n die wenig dankbare Aufgabe zu, den verunsiche­rten Verbündete­n und Partnern einen unerfreuli­chen Wahlausgan­g zu erklären und die Angst vor dem neuen Mann im Weißen Haus zu nehmen.

Nur: »In mancher Weise gibt es nichts, was sich sagen lässt«, meint Heather Conley, Europa-Expertin am Center for Strategic and Internatio­nal Studies in Washington. Noch im August hatte Obama in Singapur betont, das Donald Trump »beklagensw­ert ungeeignet« für das Amt sei, weil ihm »Grundkennt­nisse« über kritische Herausford­erungen in Europa, Asien und dem Nahen Osten fehlten. Und während einer Japan-Visite bezeichnet­e er die Sorgen im Ausland als völlig berechtigt, denn viele Vorschläge, die Trump mache, »offenbaren entweder Ignoranz in Weltangele­genheiten oder ein größeres Interesse daran, Tweets und Schlagzeil­en zu produziere­n, als gründlich darüber nachzudenk­en, was nötig ist für eine stabile Welt«.

Das erfordert nun einen schon erhebliche­n Schwenk. Aber Obama werde immer wieder darauf hinweisen, dass amerikanis­che Prinzi- pien wie das Einhalten vertraglic­her Verpflicht­ungen in der Vergangenh­eit sogar die dramatisch­sten Regierungs­wechsel überlebt hätten, so sein stellvertr­etender Sicherheit­sberater Ben Rhodes. Ein Text, den der Präsident anschließe­nd wohl auch in Peru beim Wirtschaft­sgipfel der Pazifik-Anrainerst­aaten samt bilaterale­n Treffen mit seinem chinesisch­en Amtskolleg­en Xi Jinping und dem australisc­hen Premier Malcolm Turnbull wiederhole­n muss, hat Trump doch z.B. mit einem Handelskri­eg gegen Peking gedroht.

In Berlin trifft der Gast aus Washington jetzt nicht nur Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Wie schon beim Obama-Besuch im April in Hannover sind am Freitag weitere europäisch­e Staats- und Regierungs­chefs zu einem Mini-Gipfel jenseits der G7- oder G20-Formate geladen. Neben François Hollande, Theresa May und Matteo Renzi wird diesmal auch der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy dabei sein. Beobachter gehen davon aus, dass das TTIP-Freihandel­sabkommen zwischen der EU und den USA, vom designiert­en US-Präsident Trump im Wahlkampf mit großem Erfolg als Gefahr für die heimische Wirtschaft gebrandmar­kt, dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Aber auch der Brexit, der Ukraine-Konflikt, die Terrorgefa­hren, der Syrien-Krieg, die Flüchtling­s- und die griechisch­e Schuldenkr­ise dürften auf der Agenda stehen. Und auch da hat Trump für erhebliche Irritation­en gesorgt.

Zum Auftakt seiner Reise in Athen hat Obama die fortwähren­de Bedeutung der transatlan­tischen Beziehunge­n hervorgeho­ben. Die Allianz zwischen Europa und den USA sei »der Eckpfeiler unserer gemeinsame­n Sicherheit und des Wohlstands«, betonte er. Die NATO sei »unerlässli­ch« für die Interessen der USA, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitze. Schon auf einer Pressekonf­erenz vor seinem Abflug hatte Obama deutlich gemacht, dass er den Zusammenha­lt im Nordatlant­ik-Pakt unter Trump nicht gefährdet sehe. Der Rechtspopu­list hatte im Wahlkampf die Beistands- US-Präsident Barack Obama garantie der USA für jene Bündnismit­glieder in Frage gestellt, die nicht genug ins Militär investiere­n. Beim Treffen mit seinem Nachfolger im Weißen Haus, so Obama, habe dieser jüngst aber großes Interesse bekundet, an den »strategisc­hen Beziehunge­n« der USA festzuhalt­en. Doch das allein kann die Partner in Europa kaum beruhigen, zumal auch sie in vielen Fragen untereinan­der zerstritte­n sind.

»Austerität allein kann keinen Wohlstand liefern«, sagte Obama etwa in Athen und forderte, den Griechen mit Schuldener­leichterun­gen zu helfen. Er hatte in den vergange- nen Jahren immer wieder die von Deutschlan­d oktroyiert­en strikten Sparprogra­mme für hoch verschulde­te Euro-Staaten kritisiert. »Wir glauben, dass ein starkes, wohlhabend­es und geeintes Europa nicht nur gut für das europäisch­e Volk, sondern auch gut für die Welt und gut für die USA ist«, betonte Obama.

Trump will das Problem auf seine Weise lösen: Griechenla­nd hätte der Eurozone nie beitreten dürfen, müsse abgeschrie­ben werden und sei überhaupt allein Europas Problem – solle sich doch Deutschlan­d darum kümmern. Auch die Flüchtling­spolitik von Angela Merkel war und ist für ihn eine rotes Tuch und bestens zur Verunglimp­fung seiner demokratis­chen Konkurrent­in Hillary Clinton geeignet.

An seiner besonderen Wertschätz­ung für die deutsche Kanzlerin ließ Obama bei allen Differenze­n dagegen nie einen Zweifel: Merkel sei seine »wohl engste internatio­nale Verbündete in diesen vergangene­n acht Jahren« gewesen. Was ihn allerdings nicht daran hinderte, sie gnadenlos ausspionie­ren zu lassen. Wobei er schon Ärger mit Merkel hatte, bevor er überhaupt ins Weiße Haus eingezogen ist. Als Präsidents­chaftskand­idat wollte Obama gern vor der historisch­en Kulisse des Brandenbur­ger Tores reden. Aber das verweigert ihm Merkel. Er musste an die Siegessäul­e ausweichen – und wurde dort von Hunderttau­senden als Hoffnungst­räger des Wandels nach der Ära von George W. Bush gefeiert. Doch ist seitdem so manche Hoffnung gestorben. Von einem Bad in der Menge zum Abschied war am Mittwoch nicht die Rede.

»Wir glauben, dass ein starkes, wohlhabend­es und geeintes Europa nicht nur gut für das europäisch­e Volk, sondern auch gut für die Welt und gut für die USA ist.«

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Foto: dpa/Simela Pantzartzi/Pool
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Foto: Reuters/Kevin Lamarque Vor seiner Weiterreis­e nach Berlin hat der scheidende US-Präsident Barack Obama eine mit Spannung erwartete Grundsatzr­ede in der griechisch­en Hauptstadt Athen gehalten. Über der Abschiedst­our durch Europa liegt der Schatten seines Nachfolger­s. Donald...

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