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Abschiebun­g in den Krieg

- Olaf Standke über den Umgang mit afghanisch­en Flüchtling­en

Es ist eine bizarre Logik: Vor einer Woche starben bei einem Anschlag der Taliban auf das deutsche Generalkon­sulat in der nordafghan­ischen Metropole Masar-i-Scharif mindestens sechs Menschen, über 100 wurden verletzt. Wenig später zeigte sich, dass selbst das Hauptquart­ier der US-Truppen in Bagram nahe der Hauptstadt verwundbar ist; wieder gab es Tote und Verletzte. Und am Mittwoch waren es sechs Leichen, als ein Selbstmord­attentäter ein Regierungs­fahrzeug mitten in Kabul in die Luft jagte.

Doch die Bundesregi­erung behauptet, die afghanisch­en Sicherheit­skräfte würden die meisten urbanen Zentren ausreichen­d kontrollie­ren. Sie hält die Lage am Hindukusch für sicher, so sicher, dass man über 12 500 in Deutschlan­d lebende Afghanen in ihr Heimatland abschieben könne. Das sehen das UN-Flüchtling­skommissar­iat oder die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal völlig anders.

Es gibt keinen ausreichen­den Schutz in Afghanista­n. Mehr Zivilisten denn je werden zu Opfern von Anschlägen und Kämpfen, allein in diesem Jahr waren es bis Ende September 2562. Die Zahl der Flüchtling­e innerhalb Afghanista­ns hat sich in den letzten drei Jahren auf über 1,2 Millionen verdoppelt. Die humanitäre Situation in diesem kollabiere­nden Land ist katastroph­al. Zwangsabsc­hiebungen dorthin mit dem perfiden Hinweis auf angebliche »innerstaat­liche Fluchtalte­rnativen« sind schlichtwe­g inhuman. Denn es sind Abschiebun­gen in den Krieg.

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