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Strafgeric­htshof weiter auf Russland fixiert

Bensouda will in Sachen Südossetie­n-Krieg ermitteln

- Von Sophie Mignon, Den Haag

Ungeachtet der scharfen Kritik aus Moskau will der Internatio­nale Strafgeric­htshof weiter gegen Russland ermitteln. Das bekräftigt­e seinen Chefankläg­erin. Die Chefankläg­erin am Internatio­nalen Strafgeric­htshof (IStGH), Fatou Bensouda (Gambia), hat sich von Russlands Abkehr vom IStGH unbeeindru­ckt gezeigt. Das Gericht in Den Haag werde weiter seinem »wichtigen Mandat« nachkommen, sagte Bensouda am Mittwochab­end. Die Regierung in Moskau hatte zuvor angekündig­t, die Unterschri­ft unter das Gründungss­tatut des Gerichtsho­fs zurückzuzi­ehen.

»Ohne den IStGH werden wir in eine noch turbulente­re Welt abgleiten, in der Chaos und Gewalt die Oberhand gewinnen«, warnte Bensouda. Gegenüber AFP sagte die Juristin, Moskaus Entschluss werde sie nicht daran hindern, die Untersuchu­ngen möglicher Kriegsverb­rechen während des Südossetie­n-Konflikts zwischen Georgien und Russland fortzuführ­en. Zudem kündigte sie an, Verbrechen gegen Kinder schärfer ahnden zu wollen.

Nach Angaben des russischen Außenminis­teriums geschieht der Rückzug Russlands aus dem IStGH auf Anordnung von Präsident Wladimir Putin. Moskau kritisiert­e den Umgang des Strafgeric­hts mit Konflikten, an denen Russland beteiligt ist, sowie einen Mangel an Effizienz. Russland hatte das Römische Statut zur Gründung des Gerichtsho­fes im Jahr 2000 unterschri­eben, den Vertrag bislang aber nicht ratifizier­t – ebenso wie China und die USA. Der Haager Strafgeric­htshof in den Niederland­en verfolgt seit 2002 Völkermord­e, Kriegsverb­rechen und Verbrechen gegen die Menschlich­keit weltweit.

Russland kritisiert­e, der Gerichtsho­f werde den »Hoffnungen der internatio­nalen Gemeinscha­ft nicht gerecht«. Das Strafgeric­ht habe sich außerdem nie zu einer »wirklich unabhängig­en« Institutio­n entwickelt, sondern arbeite »einseitig und ineffizien­t«, erklärte das russische Außenminis­terium. »In 14 Jahren Arbeit hat der IStGH nur vier Urteile gesprochen, bei alledem aber mehr als eine Milliarde Dollar ausgegeben.«

»Der Gerichtsho­f wird den Hoffnungen der internatio­nalen Gemeinscha­ft nicht gerecht«.

Außenminis­terium Russlands

Als Beispiel nannte Moskau den Umgang des Gerichts mit dem Krieg zwischen Georgien und Russland im Jahr 2008. Dabei konzentrie­re sich der Gerichtsho­f auf mutmaßlich­e Verbrechen von russischen Truppen sowie von Milizen der von Georgien abtrünnige­n Region Südossetie­n. Die georgische Aggression gegenüber Zivilisten in Südossetie­n werde aber ignoriert.

Der Gerichtsho­f beschäftig­t sich überdies mit dem Umsturz in der Ukraine und dem anschließe­nden Bürgerkrie­g im Osten des Landes, jeweils mit Bezug auf Russland. »Unter diesen Umständen kann man nicht von Glaubwürdi­gkeit des Internatio­nalen Strafgeric­htshof sprechen«, hieß es aus Moskau. Daher habe Putin ein Dekret unterzeich­net, dass Russland kein Mitgliedst­aat des Statuts sein solle. Der senegalesi­sche Minister und Präsident der IStGH-Vertragsst­aaten, Sidiki Kaba, bat Moskau »nicht zu gehen«.

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