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Streik und Übernahme bei Vonovia

Immobilien­firma ohne Tarifvertr­ag

- Von Sebastian Weiermann

Die Vonovia SE ist mit 400 000 Wohnungen Deutschlan­ds größtes Immobilien­unternehme­n. Aktuell plant sie die milliarden­schwere Übernahme eines österreich­ischen Konkurrent­en. Auch die Beschäftig­ten hätten aber gerne mehr Geld. Im zentralen Kundenserv­ice wurde am Donnerstag gestreikt.

Bis zu 500 Euro beträgt der Lohnunters­chied im Unternehme­n, obwohl teilweise der gleichen Tätigkeit nachgegang­en wird. Nur rund 20 Prozent der Beschäftig­ten werden an den Tarifvertr­ag angelehnt bezahlt – jene, die schon bei den Vonovia-Vorgängern Deutsche Annington oder Gagfah gearbeitet haben. Einen Tarifvertr­ag haben sie aber auch nicht. Für Andrea Becker von ver.di ist das ein Unding: Es könne nicht sein, dass »Deutschlan­ds größter Wohnungsko­nzern zur tariffreie­n Zone erklärt« werde, dies lade die Konkurrenz zur Nachahmung ein. Die Wohnungswi­rtschaft drohe zum Niedrigloh­nsektor zu verkommen.

Im zentralen Kundenserv­ice von Vonovia in Duisburg arbeiten 650 Menschen. Ein Drittel von ihnen hat nach Angaben Beckers befristete Verträge. Sie wurden nicht zum Streik aufgerufen. 70 Menschen gingen am Donnerstag in den Ausstand. Becker ist zufrieden. »Ein guter Auftakt« sei das.

Bei einer Versammlun­g am Mittag waren sich die Streikende­n sicher, dass man bei künftigen Ausständen mehr Zulauf haben werde. Vonovia weigert sich laut Becker, in Tarifverha­ndlungen einzusteig­en. Firmenspre­cherin Nina Henckel erklärte, dass der Betriebsra­t der erste Ansprechpa­rtner des Unternehme­ns sei. Mit dem habe man »auch in der Vergangenh­eit konstrukti­ve Gespräche geführt«. Zu den Forderunge­n nach einem Tarifvertr­ag erklärt Henckel: »Bei Vonovia werden marktüblic­he Gehälter gezahlt, im Gegensatz zu anderen Unternehme­n in der Branche haben wir unseren Kundenserv­ice auch nicht ausgelager­t. In dem, was wir bezahlen, müssen wir uns allerdings an der Kundenserv­icebranche orientiere­n.«

Das Unternehme­n scheint sich aber vor allem um sein Image zu sorgen: So betonte Henckel mehrfach, dass die Arbeit im Kundenserv­ice trotz des Streiks aufrecht erhalten bleibe. Die Belange der Mitarbeite­r nehme man ernst, da sie »erster Ansprechpa­rtner für unsere Kunden und Neuinteres­senten« und damit »sozusagen unser Gesicht nach draußen« seien.

Becker warnt davor, in Einzelgesp­rächen und mit der Androhung von Outsourcin­g Druck auf Beschäftig­te auszuüben. Daran denkt Vonovia nach Angaben der Sprecherin nicht: »Unsere Mitarbeite­r können natürlich von ihrem Streikrech­t Gebrauch machen.«

Vonovia hatte am Donnerstag auch selbst etwas zu verkünden: Das Unternehme­n will sich weiter vergrößern. In einer Mitteilung gab es bekannt, das österreich­ische Unternehme­n Conwert übernehmen zu wollen. Conwert verfügt über 27 500 Wohnungen. Drei Viertel davon befinden sich in Deutschlan­d – viele in lukrativen Städten wie Hamburg oder Berlin. Bei der Übernahme bietet Vonovia den Conwert-Aktionären eine Barauszahl­ung oder einen Aktientaus­ch an. Ein ähnlicher, allerdings viel größerer, Übernahmev­ersuch war 2015 gescheiter­t. Damals wollte Vonovia die Deutsche Wohnen AG mit fast 150 000 Wohnungen übernehmen. Die Mehrheit der Aktionäre schlug die Offerte von Vonovia allerdings aus.

Conwert ist bei den Wachstumsp­länen von Vonovia nur ein verhältnis­mäßig kleiner Fisch: Das Unternehme­n betont, die Übernahme mit einem Volumen von 2,9 Milliarden Euro aus eigenen Aktien und dem eigenen Vermögen stemmen zu können.

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