Gewerkschaft neuen Typs will die Neuordnung der Hochschule erstreiten
Am Wochenende gründet sich die alternative Hochschulgewerkschaft unter_bau
In Frankfurt am Main soll bei einem Kongress die neue Hochschulgewerkschaft unter_bau geründet werden. Die DGB-Gewerkschaften sind skeptisch. Eine neue Gewerkschaft entsteht. Nur ein knappes halbes Jahr nachdem Angehörige der Universität Frankfurt am Main ihre Initiative für die neue Organisation öffentlich bekannt gemacht hatten, soll an diesem Wochenende der Gründungskongress des unter_bau über die Bühne gehen – einer neuen Gewerkschaft, die aus Angehörigen aller Statusgruppen der Universität vom Mittelbau über Studierende bis zum Servicepersonal besteht. Die Geschwindigkeit geht nicht zuletzt auf die lange Vorlaufzeit zurück, in der sich die InitiatorInnen über die inhaltliche Ausrichtung und den organisatorischen Aufbau des Projektes verständigten.
Ein Zusammenschluss aus etwa 50 Hochschulangehörigen der GoetheUniversität Frankfurt/Main hatte knapp ein Jahr lang die Idee einer alternativen Hochschulgewerkschaft diskutiert. Die angestrebte »Gewerkschaft anderen Typs« soll dabei statusgruppenübergreifend und basisdemokratisch funktionieren, sich zugleich jedoch nicht auf die üblichen Tätigkeitsfelder von Gewerkschaften beschränken. Zu ihrem Programm gehört die grundlegende Neuordnung der Hochschule mit dem Ziel, Wissenschaft, Lehre und Studium eine soziale Ausrichtung zu geben, wie es in einer Pressemitteilung heißt. »Wir werden versuchen, die Verhältnisse an der Universität Frankfurt gründlich und grundlegend aufzuwühlen, um damit eine Wende gegen die Neoliberalisierung der Hochschule einzuleiten«, sagt Anna Yeliz Schentke, Pressesprecherin der Initiative, vor dem Kongress gegenüber »nd«.
Dafür will der unter_bau eine umfassende Solidarität zwischen den Status- und Beschäftigtengruppen organisieren, um Verbesserungen bei den Arbeits-, Studien und Wissenschaftsbedingungen zu ermöglichen. Dass sich die Initiative gerade in Frankfurt/Main gegründet hat, liegt auch an dem besonderen Status der Stiftungsuniversität, der dem Präsidium eine relativ große Gestaltungsfreiheit und weitestgehende Tarifautonomie ermöglicht. »Aus dem Wissen darüber«, erzählt unter_bauSprecher Manuel Müller, »entwickelte sich in der Vergangenheit unter vielen Angehörigen der Hochschule der Wunsch, konkret an dieser Stelle anzusetzen. Die Universität ist hier nicht bloß eine dem Land unterstellte Arbeitgeberin, sondern kann eigenständig Tarifverträge abschließen, Outsourcing stoppen und Schritte gegen zunehmend prekäre Beschäftigungsverhältnisse unternehmen.«
Tom Winhold ist Landesbezirksleiter des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung bei ver.di Hessen. Er reagiert kühl auf die neue Gewerkschaft und unterstreicht, dass ver.di im Hochschulbereich in Hessen die mitgliederstärkste Gewerkschaft sei und daher »als einzige DGB-Gewerkschaft für sich den Anspruch reklamiert, die Beschäftigten statusgruppenübergreifend zu organisieren«. Es sei zwar durchaus zutreffend, dass der unter_bau aufgrund fehlender Wirkmächtigkeit keine tarifpolitische Konkurrenz zu den etablierten Gewerkschaften darstelle. In den Augen des Gesetzes gilt eine Gewerkschaft erst als tariffähig, wenn sie ihre Forderungen durchsetzen kann, also Mitglieder hat, die sie zum Streik aufrufen kann. »In politischer Hinsicht erscheint dies allerdings naiv«, so Winhold abschließend. Ähnlich äußerte sich der Sprecher der GoetheUniversität, Olaf Kaltenborn. An der vertrauensvollen und konstruktiven Zusammenarbeit mit den Tarifpartnern aus ver.di, GEW und Deutschem Beamtenbund dbb will die Uni »im Interesse unserer Mitarbeitenden« nichts ändern.
Tobias Cepok, Referent für Jugendbildung, Hochschule und Forschung der GEW-Hessen klingt etwas versöhnlicher. Er sieht in den »konkreten gewerkschaftlichen Forderungen zwischen der GEW und dem unter_bau erst einmal keinen Dissens.« Auch wenn er es grundsätzlich begrüße, dass mehr Menschen sich gewerkschaftlich organisieren, sieht er die Gefahr, dass es durch Gründung des unter_bau zu einer Umverteilung der sowieso gewerkschaftlich Aktiven kommen könnte.
Ob eine Zusammenarbeit möglich sei, hänge nicht zuletzt von »vertrauensbildenden Maßnahmen ab«. Letzten Endes, so seine Einschätzung, laufe es »auf ein distanziertes oder kritisch-solidarisches Verhält- nis hinaus«. Angesprochen auf die verhaltenen Reaktionen seitens der DGB-Gewerkschaften, hofft unter_bau-Sprecher Müller wegen der gemeinsamen Ziele auf ein gutes Miteinander. Gleichwohl fallen seine an die GEW und ver.di gerichteten Fragen offensiv aus: »Geht es ihnen um Inhalte wie Verbesserung der Arbeitsbedingungen, einem Stopp des Outsourcings und emanzipatorische Praxis, oder machen sie Politik zum reinen Zweck des Selbsterhalts von bestehenden Funktionärsstrukturen im Rahmen der sogenannten Sozialpartnerschaft?«
Man darf gespannt sein auf die ersten Schritte der neuen Hochschulgewerkschaft nach der Gründung. Eines ist im Vorfeld deutlich geworden: An der nötigen Portion Selbstbewusstsein, mangelt es dem unter_bau nicht. »Wer sich für den Kongress anmeldet, ist Gründungsmitglied und kann teilnehmen«, heißt es in der Kongressankündigung im Internet. Bisher gibt es 50 Anmeldungen, der Aktivenkreis nicht mitgerechnet. Die InitiatorInnen rechnen mit 100 bis 150 Gründungsmitgliedern.
Der unter_bau stellt aufgrund fehlender Wirkmächtigkeit keine tarifpolitische Konkurrenz zu den etablierten Gewerkschaften dar.