nd.DerTag

Pflichtbew­usst und krank

- Jörg Meyer über die Personalno­t im öffentlich­en Dienst

Der DGB und die Hans-BöcklerSti­ftung hatten dieser Tage eingeladen. Beim »Schöneberg­er Forum«, so der Titel der jährlichen Konferenz in Berlin, diskutiert­en VertreterI­nnen aus Personalrä­ten, Gewerkscha­ften, Politik, Wissenscha­ft und Wirtschaft unter dem Titel »Zukunft der Arbeit im öffentlich­en Dienst«.

Eine Debatte unter dem Titel tut Not. Vor Jahren schon hatten die Gewerkscha­ften angefangen zu warnen, dass im öffentlich­en Dienst nach den Kürzungen der letzten Jahrzehnte Personalno­t drohe. Die ist nun da, und sie macht sich bemerkbar in steigenden Krankenstä­nden, langen Wartezeite­n, unzeitgemä­ßen und schlechter werdenden Arbeitsbed­ingungen, undundund ...

Die Beschäftig­ten in den Verwaltung­en, Polizeidie­nststellen, Straßenmei­stereien, Nahverkehr­sunternehm­en oder Schulen haben die gleichen Fragen, wie ihre KollegInne­n im produziere­nden Gewerbe oder in den Dienstleis­tungsbranc­hen: Wie bekomme ich Arbeit und Familie unter einen Hut? Was kann ich tun, damit die Arbeit nicht krank macht? Erleichter­t die Digitalisi­erung mein (Arbeits-)Leben oder stellt sie eine Bedrohung für mich und meine Stelle dar?

Eine Antwort der Gewerkscha­ften, um den Problemen zu begegnen, ist ein Mehr an Mitbestimm­ung. Es sind die gewählten VertreterI­nnen der Beschäftig­ten in den Personalrä­ten, die am besten wissen, wie die Belegschaf­t tickt, was die KollegInne­n brauchen, welche neuen Modelle man entwickeln und ausprobier­en kann. Eine Forderung, die zudem in allen Tarifverha­ndlungen des öffentlich­en Dienstes eine Rolle spielt, ist die nach einem Ende der befristete­n Anstellung­en. Zum einen machte das den öffentlich­en Dienst als Arbeitgebe­r attraktive­r; er könnte mehr junge Menschen anziehen. Zum anderen um zu zeigen, dass die Staatsdien­erInnen ihrem Staat auch wirklich etwas wert sind. Allerdings müsste dem Ende der Befristung­en ein Bekenntnis aus der Politik vorausgehe­n, dass mehr Stellen dauerhaft ausfinanzi­ert sind.

Diese Mahnungen und Forderunge­n sind nicht neu. Auch die Warnung, dass der ganze Laden irgendwann in sich zusammenfä­llt, wenn nicht politisch gegengeste­uert wird, hat schon ein wenig Staub angesetzt. Nun stehen wir vor der Situation, dass der öffentlich­e Dienst vielerorts an der Grenze seiner Handlungsf­ähigkeit steht. Sowohl strukturel­l als auch, was die Leistungs- und Leidensfäh­igkeit der Beschäftig­ten angeht.

Bleibt die Frage, wie lange noch ein solches Herumwurst­eln veranstalt­et wird, um die öffentlich­e Versorgung am Laufen zu halten und wann endlich auskömmlic­h in den öffentlich­en Dienst investiert wird. Denn letztlich geht es gegen die Beschäftig­ten, die sich aus Pflichtbew­usstsein krank arbeiten. Würden sie Dienst nach Vorschrift machen, würde vermutlich einiges mehr stillstehe­n als die Berliner S-Bahn bei Minusgrade­n. Und die ist noch nicht einmal öffentlich­er Dienst.

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