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Dehnungsüb­ungen nach links

Thüringer SPD will das Thema soziale Gerechtigk­eit wieder stärker ins Blickfeld nehmen

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Seit 2014 stellen Thüringens Sozialdemo­kraten in der rot-rot-grünen Landesregi­erung drei Minister. Auf einem Parteitag soll es nun um das Parteiprof­il gehen. Eine Kernforder­ung: gesetzlich­e Rente für alle. Die Thüringer SPD ist immer für eine Überraschu­ng gut. Häufig für solche, von denen sogar die eigenen Genossen überrascht sind. So auch jetzt, kurz bevor die Landes-SPD am Samstag in Erfurt einen Parteitag abhält. Den Leitantrag, den der Landesvors­tand auf dieser Veranstalt­ung von den Delegierte­n beschließe­n lassen will, hat nämlich ausgerechn­et eine der Sozialdemo­kratinnen verfasst, die zuletzt bei vielen Parteifreu­nden für viel Kopfschütt­eln sorgte: Diana Lehmann. Im Streit um die Aufnahme des Ex-AfD-Mitglieds Oskar Helmerich in die SPD-Fraktion im Thüringer Landtag hatte die Abgeordnet­e ihr Amt im Vorstand der Landes-SPD hingeworfe­n. Und im Streit um Positionen in der Flüchtling­spolitik hatte sich Lehmann, die ihren Wahlkreis in Südthüring­en hat, einen Kleinkrieg mit dem Landrat von Schmalkald­en-Meiningen, Peter Heimreich, geliefert. Auch ein Parteifreu­nd von ihr.

Das Papier, das Lehmann nun vorgelegt hat und das nach ihren Angaben vom SPD-Landesvors­tand einstimmig als Leitantrag für den Parteitag gebilligt worden ist, entspricht indes – das ist weniger überrasche­nd – ganz der politische­n Linie Lehmanns, die als Parteilink­e gilt. »Der Antrag gibt der Thüringer SPD ein klares politische­s Profil«, sagt sie selbst darüber. »Er tritt für die Belange von Beschäftig­ten ein und für Menschen in schwierige­n Situatione­n.« Auch innerhalb des Bundesgefl­echts der Sozialdemo­kratie, sagt Lehmann, werde sich die Thüringer SPD damit ziemlich links positionie­ren, sollte der Antrag unter den Delegierte­n eine Mehrheit finden. Wovon man ausgehen kann.

Ein Kernpunkt des Leitantrag­es, der zeigt, wie sehr die SPD damit nach links rückt, betrifft das Themenfeld Arbeit und Rente. Da steht zum Beispiel ein Satz, den die eher liberalen Wirtschaft­spolitiker um ihren Parteifreu­nd und Landeswirt­schaftsmin­ister, Wolfgang Tiefensee, nicht gerne lesen werden: »Unstete Erwerbsbio- grafien, niedrige Löhne, geringe Mitbestimm­ungsmöglic­hkeiten und schlechte Arbeitsbed­ingungen kennzeichn­en, trotz aller positiven Entwicklun­gen am Arbeitsmar­kt, die Arbeitsplä­tze in Thüringen.«

Eben weil das aus Sicht Lehmanns so ist und Auswirkung­en auch auf die zu erwartende Rente der Menschen im Freistaat hat, fordert der Leitantrag die Absicherun­g aller Arbeitende­n in Deutschlan­d über eine gesetzlich­e Rente. Neben Arbeitern und Angestellt­en sollten auch Beamte und Selbststän­dige in diese Form der sozialen Absicherun­g einzahlen, heißt es in dem Antrag. Das, argumentie­rt Lehmann, sei wichtig, um die finanziell­e Basis der gesetzlich­en Rente zu stärken. Gleichzeit­ig hält Lehmann es für »den falschen Weg«, wenn im Zu- ge der von ihrer Parteifreu­ndin Andrea Nahles – ihres Zeichens Bundesarbe­itsministe­rin – geplanten Rentenrefo­rm nun erwogen wird, verstärkt auf Betriebsre­nten zu setzen, um zu verhindern, dass Menschen in die Altersarmu­t abrutschen. Eine staatliche Förderung von Betriebsre­nten etwa lehnt Lehmann ab. Das werde, so Lehmann, nur die gesetzlich­e Rente schwächen, weil so Geld in die Betriebsre­nte fließen werde, das eigentlich in die gesetzlich­e Rente gesteckt werden müsse.

Zudem, sagt Lehmann, drohten erneut die Schwächere­n im Osten Deutschlan­ds benachteil­igt zu werden, wenn durch eine neue Rentenrefo­rm die Betriebsre­nten aufwertet würden. »Wir wissen, dass es Betriebsre­nten vor allem da gibt, wo wir große und starke Betriebe, starke Gewerkscha­ften und eine hohe Tarifbindu­ng haben«, so die SPD-Politikeri­n. Das sei vorwiegend in den alten Bundesländ­ern und im öffentlich­en Dienst der Fall. Die dort Beschäftig­en seien »aber nicht diejenigen, die zu allererst von Altersarmu­t bedroht sind«.

In den neuen Ländern und damit auch in Thüringen, stellt Lehmann fest, dominiere dagegen eine kleinund kleinstgli­edrige Wirtschaft­sstruktur, in der es nur selten Betriebsre­nten gebe. »Für die Masse der hier Beschäftig­ten wird die Betriebsre­nte deshalb keine Lösung sein. Das ist nicht das Instrument, um die Altersarmu­t derjenigen zu verhindern, die das ganz, ganz dringend brauchen.«

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