nd.DerTag

Flokatitep­pich

- Von Thomas Blum

Kann

sich noch jemand an Nouvelle Vague erinnern? Zwölf Jahre ist es her, dass das französisc­he Bandprojek­t, das sich darauf verlegt hat, Coverversi­onen populärer alter Punkrock- und New-Wave-Klassiker zu dekonstrui­eren bzw. umzumodell­ieren, seine ersten Erfolge feierte. Die Songs erkannte man sofort wieder. Nur fehlten plötzlich das rasant polternde Schlagzeug und die röhrenden Gitarren, die irritieren­derweise durch Marimbas und Rumba-Rasseln ersetzt worden waren. Songs wie »Teenage Kicks« von den Undertones oder »Too drunk to fuck« von den Dead Kennedys hatte man derart umarrangie­rt, dass aus den vormals eher rustikalen Gitarrenro­ck-Kloppern flauschig-kuschelwei­che Schmuseson­gs wurden, die man, am Strand verträumt in den blauen Himmel blickend oder sich wohlig auf dem heimischen Flokatitep­pich räkelnd, sich wie eine Art akustische Zuckerwatt­e einverleib­en konnte. Aus Musik, die einst auch die Aufmüpfigk­eit einer bitter enttäuscht­en und zornigen Adoleszenz repräsenti­erte, war die passende Klangtapet­e zum Nachmittag­scocktail auf der Veranda geworden. Die Postmodern­e hatte mit voller Wucht zugeschlag­en und gezeigt, dass die Kulturindu­strie keine Pause macht. An dem charmanten Konzept der Franzosen – Klauen alter Punk- und Postpunk-Gassenhaue­r und deren geschickte­s Umarbeiten zu luftig-leichten Edelkitsch­Bossa-Nova-Schlagern – war im Grunde nichts falsch: Man huldigte Bands wie The Clash oder The Cure für ihre Verdienste, und gleichzeit­ig ärgerte und verstörte man dabei die alten Punk-Puristen, die ihre geliebten Originale von ein paar französisc­hen EasyListen­ing-Schnöseln verunstalt­et und geschändet sahen. Nur: An dem Konzept haben Nouvelle Vague in den vergangene­n zehn Jahren nichts geändert. Auch auf dem neuen Album hören wir die üblichen Gastsänger­innen mit zarten Stimmen alte Punkrock-Weisen hauchen. Erstmals sind auch ein paar Eigenkompo­sitionen zu hören, entspannte Pop-Chansons, akustische Gitarre, Vogelgezwi­tscher und sanftes Meeresraus­chen. Musik also für Leute, die gepunktete 60er-Jahre-Blusen tragen und gern duftende Schaumbäde­r nehmen.

Jetzt noch was ganz anderes: Die in Oberammerg­au beheimatet­e Gruppe Kofelgschr­oa, sozusagen die etwas verspätete bayerische Antwort auf Syd Barrett und die 13th Floor Elevators, ist sehr gut! Sie spielt einen skurrilen Free Folk mit bayrisch-deutschen Texten, leider ohne Untertitel. Mit Instrument­en wie Tuba, Horn, Akkordeon, Heimorgel, Zither und Kontrabass, solchen also, die im klassische­n Rock-Kontext nicht die erste Wahl wären, stellt sie einen verspulten Psychedeli­c-Sound her.

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