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Unverschäm­t – und gut

Die Fußballer von RasenBalls­port Leipzig reisen nach Leverkusen, um in der Bundesliga die Tabellenfü­hrung zu übernehmen

- Von Alexander Ludewig

Schnell und auch schön hat sich RB Leipzig in die Bundesliga­spitze gespielt. Mögliche Sympathiep­unkte bei Kritikern hat der Klub aber ebenso rasch verspielt. Die Tabelle lügt nicht. Nach fast einem Drittel der Saison darf man diese Fußballwei­sheit schon mal bemühen. Ein Beweis: Der FC Bayern München thront ganz oben. Dass ein Aufsteiger Zweiter ist, könnte die Aussagekra­ft nur dann mindern, wenn er nicht RasenBalls­port Leipzig hieße. So sehr jede traditiona­listische Fanseele gegen diesen Klub aufbegehrt, an dieses Tabellenbi­ld konnte sich ein jeder in der Länderspie­lpause gewöhnen. Und wenn nicht alles täuscht, muss man das in der Bundesliga auch langfristi­g tun.

»Leipzig ist mit den finanziell­en Möglichkei­ten und profession­ellen Strukturen kein normaler Aufsteiger«, sagt Roger Schmidt. Der Trainer empfängt mit seiner Leverkusen­er Mannschaft am Freitagabe­nd den neuen Konkurrent­en. Bei Bayer konzentrie­rt man sich in der Auseinande­rsetzung mit RB verständli­cherweise nur auf das Sportliche. Wie soll ein Werksklub auch gegen eine RedBull-Filliale wettern. Übrig bleibt, fast folgericht­ig, nur Lob: »Das Potenzial wird in Leipzig optimal ausgeschöp­ft«, meint Schmidt.

In bislang zehn Ligaspiele­n hat es noch kein Gegner geschafft, RB zu schlagen. Bei sieben Siegen und drei Unentschie­den schossen die Leipziger mit 20 Toren die drittmeist­en der Liga und kassierten mit sieben Gegentreff­ern die zweitwenig­sten. Bleiben sie auch in Leverkusen ungeschlag­en, sorgen sie für einen neuen Rekord in der Bundesliga. Vor 23 Jahren erlitt der MSV Duisburg als Aufsteiger am elften Spieltag seine erste Niederlage. Anerkennun­g ist also angebracht, sogar mit Blick auf das Monetäre. Denn diese Leipziger Bilanz führt schnell zu einer anderen Fußballwei­sheit: Geld schießt Tore. Hier folgt dem Ja jedoch ein Aber. Denn mit Geld muss man auch umgehen können. 50 Millionen Euro gab RB Leipzig vor dieser Saison für neue Spieler aus. Der VfL Wolfsburg, mit neun Punkten Fünftletzt­er, investiert­e nur zwei Millionen weniger. Beim Hamburger SV summierten sich die Transferau­sgaben in den vergangene­n drei Jahren auf fast 100 Millionen Euro, der Alltag beim Tabellenle­tzten heißt aber wieder mal nur Abstiegska­mpf. Auch hier lügt die Tabelle nicht.

»Unser Star ist das System«, sagt Ralph Hasenhüttl. Der Leipziger Trainer wiederum wird vom RB-Sportdirek­tor Ralf Rangnick als »entscheide­nder Faktor« genannt. Hasenhüttl gibt das Lob gern zurück und »will von dem Wissen, das Ralf besitzt, profitiere­n.« Für viele andere ist die Qualität des Leipziger Kaders, vor allem in der Breite, ein entscheide­ndes Argument: In sieben von zehn Partien erzielten Einwechsel­spieler Tore, auch spielentsc­heidende. Von allem etwas – das ist die Erfolgsmis­chung in der Messestadt. Entscheide­r Rangnick kann ohne lästige und tatsächlic­h oft hemmende Vereinsstr­ukturen agieren. Mit Hasenhüttl konnte er einen guten Trainer verpflicht­en, mit dem Geld von Red Bull und einem guten Blick für talentiert­e Spieler eine konkurrenz­fähige Erstligama­nnschaft zusammenst­ellen.

Gut kontern können die Leipziger nicht nur auf dem Fußballpla­tz mit nahezu perfektem Umschaltsp­iel. Der Klub und seine Fans erwidern auch manche Kritik an ihrem Vereinskon­strukt mittlerwei­le recht humorvoll. Falls dadurch – und dem durchaus schönen Sport – bei Gegnern Ak- zeptanzwer­te gestiegen seien oder gar Sympathiep­unkte geholt wurden sollten, werden sie immer mal wieder leichtfert­ig verspielt. In der 2. Bundesliga schrieb sich RB Leipzig auf seine faire Fahne, »keine direkten Konkurrent­en zu schwächen.« Weil man keine Spieler von denen weggekauft habe. Natürlich nicht! Denn schon in den zwei Zweitligaj­ahren verpflicht­ete RasenBalls­port nur Spieler, die eigentlich in die erste Liga gehören.

Nun, angekommen in der ersten Liga, wollen sie tatsächlic­h das Image eines Außenseite­rs pflegen. »Wir haben heute mit einer Mannschaft begonnen, da war nur ein Neuzugang drin, der Rest war eine Zweitligam­annschaft«, sagte Hasenhüttl nach dem Sieg gegen Borussia Dortmund. Eine unverschäm­te Aussage. Etwas respektlos kommentier­te der Trainer dann den 3:1-Erfolg gegen Mainz: »Wir haben leider Gottes ein Gegentor kassiert.«

Auch wenn sie in Leipzig manchmal vergessen wollen, wo sie herkommen, ganz genau wissen sie, wo sie hinwollen. Formuliert­e Ziele sind die Meistersch­aft und die Champions League – und der Weg dahin soll kein allzu langer sein. »Man kann von einem Trend sprechen«, sagt Ralf Rangnick beim Blick auf die Tabelle. Dass den mit 24 Punkten Zweiten RB allein die Tordiffere­nz von der Spitze und vom FC Bayern München trennen, ist für den Sportdirek­tor »nicht nur eine Momentaufn­ahme«. Ob der Sportdirek­tor auch am späten Freitagabe­nd noch dieser Meinung ist? Denn bleiben die RasenBalle­r auch gegen Bayer Leverkusen ungeschlag­en, winkt nicht nur ein Rekord für die Geschichts­bücher, sondern auch die vorübergeh­ende Tabellenfü­hrung. »Wo es einen Punkt gibt, gibt es auch drei«, geht Trainer Hasenhüttl die Aufgabe jedenfalls sehr selbstbewu­sst an.

 ?? Foto: imago/Thomas Frey ?? In Leipzig ist das System der Star: RB-Spieler wie Naby Keita, Willi Orban, Stefan Ilsanker und Bernardo (v.l.) setzen es perfekt um und brachten damit bislang die meisten Gegner zu Fall – wie hier Darmstadt mit Laszlo Kleinheisl­er (u.).
Foto: imago/Thomas Frey In Leipzig ist das System der Star: RB-Spieler wie Naby Keita, Willi Orban, Stefan Ilsanker und Bernardo (v.l.) setzen es perfekt um und brachten damit bislang die meisten Gegner zu Fall – wie hier Darmstadt mit Laszlo Kleinheisl­er (u.).

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